SPÖ-Krise: Werner Faymanns Problemzonen

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LATVIA EASTERN PARTNERSHIP SUMMIT(c) APA/EPA/VALDA KALNINA (VALDA KALNINA)
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Das Schielen von Teilen der SPÖ auf die FPÖ desavouiert Werner Faymann. Für den SPÖ-Chef wird es spätestens nach der Wien-Wahl eng. Zugleich wächst sein Problemberg.

Auch das noch: Mit der Freigabe etwaiger rot-blauer Koalitionen in Ländern und Gemeinden hat das Bundesparteipräsidium der SPÖ diese Woche notgedrungen der Realität im Burgenland den Sanktus erteilt. Inzwischen rütteln allerdings SPÖ-Funktionäre auch zunehmend am kategorischen Nein von Bundeskanzler Werner Faymann zu einer rot-blauen Koalition im Bund. Gleichzeitig muss der SPÖ-Bundesparteichef den Herbstwahlen in Oberösterreich und Wien entgegenzittern. Die Steuerreform ist nicht endgültig unter Dach und Fach, der Unmut in der SPÖ wegen des Fehlens einer Mietrechtsreform steigt.

SPÖ-Chef ramponiert

Rot-Blau wird zusehends in der SPÖ salonfähig – trotz der beschwörenden Warnungen von Bundesparteichef Werner Faymann vor „den blauen Hetzern“. Am Donnerstagabend dauerte es keine Stunde, bis Faymanns SPÖ-Stellvertreterin, Gabriele Heinisch-Hosek, mit einer Aussendung ausrückte, in der sie das strikte Nein zu Rot-Blau auf Bundesebene bekräftigte. Eine SPÖ-FPÖ-Koalition sei „weiterhin keine Option“, eine Mitgliederbefragung sei daher dazu überflüssig.

Unmittelbarer Anlass war, dass Oberösterreichs SPÖ-Chef, Reinhold Entholzer, in der „ZiB1“ eine Befragung der SPÖ-Mitglieder vorgeschlagen hatte. Denn die SPÖ mache sich erpressbar, wenn sie eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen unter allen Umständen ablehne, so die Argumentation Entholzers. Er steht ganz unter dem Eindruck des jüngsten Verlusts des Landeshauptmannpostens der SPÖ in der Steiermark an die ÖVP – mangels einer Alternativkoalitionsvariante der Genossen. Aus der Salzburger SPÖ und von Hans Niessl aus dem Burgenland kam am Freitag Unterstützung für Entholzer.

Jedenfalls tritt nun erstmals ein amtierender SPÖ-Landeschef für das Zücken der rot-blauen Karte im Bund ein. Gleichzeitig ist nach wie vor der Beschluss des SPÖ-Bundesparteitags, „Nein zu einer Koalition mit der FPÖ“, gültig, das ist für die Bundesebene erst am Montag dieser Woche im Präsidium bekräftigt worden. Entholzer liegt mit der Möglichkeit einer FPÖ-Option als Alternative zur ÖVP (von einer rot-grünen Mehrheit im Bund ist man derzeit weit entfernt) auf einer Linie mit manchen Gewerkschaftsfunktionären in den Ländern.

Rochaden nach Wien-Wahl erwartet

Für Faymann stellen diese Vorstöße, den „Bannfluch gegen die Freiheitlichen“ zu beenden, eine starke Unterminierung seiner Funktion als Parteichef dar. Gleichzeitig ist Faymann aus dem linken Flügel der Partei seit dem rot-blauen Pakt im Burgenland mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Michael Häupl, Wiens SPÖ-Chef, hat Faymann zuletzt demonstrativ den Rücken gestärkt, Rückhalt gibt es zudem von der Bundesführung der roten Gewerkschafter mit ihrem Chef, Wolfgang Katzian.

Allerdings wird SPÖ-intern spätestens nach der Wiener Gemeinderatswahl am 11.Oktober im Fall eines deutlichen Absturzes eine Generalabrechnung erwartet, bei der Faymann nicht ausgeklammert wird. Ein personeller Umbruch im SPÖ-Regierungsteam gilt als fix – möglicherweise Faymann eingeschlossen, auch wenn bisher eine ernsthafte Alternative fehlt.

Sonderfall Wien

Es liegt 21 Jahre zurück, dass der Nachfolger Helmut Zilks als Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, einen gewissen Werner Faymann in den Stadtsenat berufen hat. Bis heute steht fest, wer die wahre Nummer eins ist. Häupl, der absolut Unberechenbare, verordnet seiner Partei einmal einen Kurswechsel hin zur Forderung nach einem Berufsheer. Dann wieder fällt er mit einem Abgehen von Vermögensteuern der Bundespartei und Faymann in den Verhandlungen zur Steuerreform in den Rücken. So geschehen erst im heurigen Frühjahr.

Zuletzt ist Häupl beim Krisentreffen der SPÖ-Spitzen nach der heftig umstrittenen Entscheidung für Rot-Blau im Burgenland demonstrativ mit Faymann in den Sitzungssaal gekommen. Der Bürgermeister hat in vier Monaten seine schwierigste Wahl zu schlagen. Dabei droht das Absacken der SPÖ auf ein historisches Tief (deutlich) unter 40 Prozent. Das Verhältnis zum grünen Koalitionspartner ist schwer belastet. Und die FPÖ ruft mit Heinz-Christian Strache schon wieder das Duell um den Bürgermeister aus. Eine SPÖ-Schlappe färbt auch auf den Wiener Faymann ab.

Partei liegt im Argen

In der Amtszeit von Werner Faymann als SPÖ-Chef im August 2008 hat es nicht nur in der Bundesparteizentrale einen regen Wechsel und die eine oder andere Reiberei gegeben. Neue kreative Köpfe, die Faymann allerdings kritisch gegenüberstehen, haben sich teilweise außerhalb zusammengefunden, wie in Wien die Sektion8. Die Öffnung der SPÖ für Junge und Personen, die wie einst unter Kreisky „ein Stück des Weges“ mit der SPÖ gehen wollen, wurde auch unter Faymann beschworen.

Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer, Gerhard Schmid, will das nun wieder mit neuem Elan angehen, wie er im ORF angekündigt hat. Bei Wahlen zeigen Analysen, dass Personen über 50 Jahren und Pensionisten einen noch tieferen Absturz bei den Wahlniederlagen (Ausnahme Kärnten) verhindert haben. Bei den Arbeitern sind, wie zuletzt bei der Steirer-Wahl, bereits viele direkt zur FPÖ übergelaufen, speziell bei den Jungen. Die relative Stärke der SPÖ bei den Frauen hat verhindert, dass die „Männerpartei“ FPÖ nicht noch stärker geworden ist. Beim neuen Parteiprogramm wurde die SPÖ von der ÖVP einfach überholt.

Integration verschlafen

Ein ungelöstes Thema schleppt Werner Faymann seit 2008 mit: die Ausländerpolitik. Dazu zählt die Frage der Integration von Zuwanderern in den vergangenen Jahren, aber in den vergangenen Monaten besonders die Asylpolitik wegen des gestiegenen Zustroms von Flüchtlingen. Faymann ist bei der Flüchtlingspolitik ein Zerrissener zwischen linkem und rechtem Flügel in seiner Partei und auch in der potenziellen Wählerschaft.

Den Vertretern des linken Flügels und den grünaffinen Wählern im SPÖ-Spektrum waren schon die Verschärfungen des Fremdenrechts durch die (ehemalige) ÖVP-Innenministerin ein Dorn im Auge. Das Pingpong des Bundes mit den Ländern bei der Unterbringung von Asylwerbern und erst recht das Aufstellen von Zelten stoßen auf Empörung. Der stärkere pragmatische und rechte Flügel sowie die Parteiführung haben aus Angst vor der FPÖ einer härteren Linie unter Zähneknirschen zugestimmt.

Die jahrelang seit den 1990er-Jahren ignorierten Probleme der Österreicher bei der Integration von Zuwanderern wurden nur zaghaft angegangen – jüngstes Beispiel: Wie umgehen, mit „Integrationsunwilligen“?

Absturz in den Ländern

Das schon sprichwörtliche Sudern in den roten Landesorganisationen über den damaligen SPÖ-Bundeskanzler hat Alfred Gusenbauer Mitte 2008 sein Amt gekostet. Der Ärger der Genossen rührte damals hauptsächlich von den ständigen Streitereien mit der ÖVP in der Bundesregierung her. Unter seinem Nachfolger, Werner Faymann, musste die SPÖ jedoch nicht nur Serienwahlschlappen bei Landtagswahlen (Ausnahme wieder der Sonderfall Kärnten 2013 unter Jörg Haiders Erben) hinnehmen, sondern hat inzwischen zwei Landeshauptmannposten eingebüßt: Franz Voves muss in der Steiermark jetzt ebenso wie 2013 Gaby Burgstaller in Salzburg gehen.

Beide waren unter Gusenbausers Oppositionszeit 2005 (Steiermark) beziehungsweise 2004 (Salzburg) von der ÖVP erobert worden. Damit steht es nun bei den Landeshauptleuten sechs (ÖVP) zu drei (SPÖ).

In der Steiermark führte der Umstand, dass das Amt des Landeshauptmannpostens kampflos der ÖVP überlassen wurde, zu heftigen Nachbeben: SPÖ-Funktionäre an der Basis sind sauer, rote Spitzenfunktionäre in ÖGB und Arbeiterkammer haben den Machtverlust nach Widerstand zähneknirschend zur Kenntnis nehmen müssen.

Für das schlechte Abschneiden bei den Landtagswahlen wird teilweise Faymann die Schuld gegeben. Ihm wird angelastet, dass er gegenüber der ÖVP inhaltlich zu wenig Durchsetzungskraft beweist. Die rot-schwarze Einigung auf eine Steuerreform wurde zwar wegen der Entlastung in Höhe von fünf Milliarden Euro akzeptiert, nach dem Verzicht auf Vermögensteuern darf sich Faymann vor dem Beschluss im Ministerrat und im Parlament aber keine Zugeständnisse mehr an die ÖVP erlauben (siehe auch unten stehenden Bericht).

Der Landtagswahl in Oberösterreich am 27.September blickt Faymann mit Sorge entgegen. Schließlich könnte dort die im Aufwind befindliche FPÖ (15,3 Prozent) die SPÖ (24,9 Prozent) eventuell von Platz zwei verdrängen – keine guten Vorzeichen für die Wien-Wahl zwei Wochen später. In Oberösterreich ist die SPÖ zwar dank Proporzes in der Landesregierung, das Sagen hat aber seit 2003 eine rot-schwarze Koalition.

Keine Mietenlösung

Pakete für billigeres Wohnen und Wohnbau-offensiven hat die rot-schwarze Regierung zwar seit der vergangenen Legislaturperiode präsentiert. Was für die SPÖ-Klientel, die in Mietwohnungen lebt, aber viel mehr zählt, ist der Umstand, dass viele Mieter stöhnen, weil ein wachsender Anteil des Einkommens für Mieten aufgeht. Gleichzeitig gibt es keine Fortschritte bei einer Reform des Mietrechts.

Rote Spitzenfunktionäre, allen voran Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske, treiben deswegen ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter erneut zur Eile. Indirekt erhöht das auch den Druck auf Bundeskanzler Faymann als Chef einer Regierung, die beim Mietrecht bisher völlig gescheitert ist. Die Junge Generation in der SPÖ mit ihrer Vorsitzenden, Katharina Kucharowits, hat deswegen nun den Start einer Bürgerinitiative für bezahlbares Wohnen angekündigt, was für eine Regierungspartei eher Ausdruck von Verzweiflung ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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