Fenninger vs. ÖSV: "Manchmal ist es gut, wenn es kracht"

MARC GIRARDELLI
MARC GIRARDELLI(c) APA/EXPA/ JFK (EXPA/ JFK)
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Anna Fenninger habe zu schnell klein beigegeben, meint Marc Girardelli. Wie man auch ohne ÖSV erfolgreich sein kann, weiß niemand besser als der Vorarlberger aus Luxemburg.

Wien. Marc Girardelli war einer der Besten seiner Zunft. Der vierfache Weltmeister gewann 46 Weltcuprennen in allen Disziplinen, fünf große Kugeln für den Gesamtweltcup (Rekord bei den Herren) und vier WM-Titel. Doch all die Erfolge des Vorarlbergers gehen auf das Konto des luxemburgischen Skiverbandes. Girardelli war gerade einmal zwölf Jahre alt, als sich 1976 sein von Vater Helmut angeführter Clan mit dem ÖSV zerstritt. Dass die Wahl danach auf Luxemburg fiel, war reiner Zufall. Heute ist Girardelli jedenfalls der lebende Beweis dafür, dass für Österreicher auch ohne Unterstützung des heimischen Verbandes außergewöhnliche Skikarrieren möglich sind.

Dem am Donnerstag von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel verkündeten Friedensschluss zwischen Skiverband und Anna Fenninger traut Girardelli nicht gänzlich. Er hält die Einigung für „die beste aller schlechten Lösungen“. Die vordergründige Versöhnung komme gerade noch rechtzeitig. Die Saisonvorbereitung allein zu stemmen, wäre für Fenninger im Falle eines Rauswurfs aus dem ÖSV eine „Herkules-Aufgabe“ geworden. Die Vorgehensweise der Salzburgerin und ihrer Berater kann Girardelli jedenfalls nicht nachvollziehen. Es sei ein „Riesenfehler“ gewesen, an die Öffentlichkeit zu gehen. „Der ÖSV ist ja keine Nullnummer, sondern der erfolgreichste Skiverband der Welt und der Präsident eine Persönlichkeit.“ Er selbst habe in seiner Karriere nie Probleme mit dem heimischen Verband gehabt. „Es kann sein, dass der ÖSV mit mir Probleme hatte. Aber zwischenmenschlich war das Verhältnis immer gut.“ Er habe allerdings immer ohne Skrupel seinen Standpunkt vertreten. „Vielleicht sind wir deshalb gut ausgekommen.“

Der Konflikt sollte aber auch für den ÖSV ein Anstoß sein. „Manchmal ist es auch gut, wenn es kracht.“ Vielleicht sei nicht alles im Umfeld des Verbandes, wie man es sich wünschen würde. „Auch der ÖSV muss sich bewusst werden, dass der Stand der Dinge von vor zehn oder fünfzehn Jahren heute nicht mehr zeitgemäß ist.“ Früher hätte man ausschließlich getan, was die Trainer gesagt haben. „Die Sportler sind jetzt viel aktiver, viel mündiger.“

Ausnahmekönner leisten mehr

Mannschaftstraining ist heute nur die Basis, erst dann kommt das individuelle Training. „Die Topathleten wissen das. Das sind Wettkämpfer mit jeder Faser ihres Körpers.“ Und deshalb seien Privilegien innerhalb einer Mannschaft auch in Ordnung, ja sogar notwendig. „Ausnahmekönner brauchen eine Sonderbehandlung, weil sie mehr leisten.“ Im Gegenzug müsse man auch den ÖSV verstehen: „Über gewisse Grenzen darf man nicht gehen. Sonst tobt innerhalb des Teams der Guerillakrieg.“

Girardelli meint aber, Fenninger hätte trotz allem noch nicht klein beigeben sollen: „Vielleicht hat man die Flinte zu schnell ins Korn geworfen.“ Besser wäre es natürlich gewesen, weniger emotional an die Sache heranzugehen, „dann wäre sicher etwas mehr dabei herausgekommen“. Vor allem sei es von Fenninger „nicht klug“ gewesen, unbewiesen Vorwürfe gegen den Verband zu erheben und „gerade über Facebook sein Innerstes nach außen zu kehren“. Dass, wie in Fenningers Botschaft angedeutet, im ÖSV frauenfeindliche Tendenzen herrschen, habe er noch nie gehört. „Das wäre ein Novum. So etwas ist nie auch nur angedeutet worden.“

Der Einzelne profitiert

Trotz dem in den vergangen Wochen gesäten Misstrauen glaubt Girardelli, dass eine Zusammenarbeit von Fenninger und ÖSV weiterhin möglich ist. „Die Trainer und Funktionäre sind Profis. Und schließlich leben beide Seiten vom Erfolg.“ Allein wäre es für Fenninger schwer geworden. „Lara Gut hat es zuletzt probiert – eher schlecht als recht. Auch Bode Miller ist ins Team zurückgekehrt.“ Denn obwohl der Skirennlauf kein klassischer Mannschaftssport ist, profitiert der einzelne Athlet natürlich vom Team. Gerade im Training oder vor dem Rennen, wenn es darum geht, aktuelle Infos zu den Bedingungen zu bekommen. „Ist man aus dem Start draußen, ist es natürlich ein Einzelsport.“

Girardelli hat lange nach seinem Karriereende 1997 den Abgang vom ÖSV als „unglückliche Entscheidung“ bezeichnet. Die Situation sei damals aber verfahren und verfeindet gewesen. „Eigentlich sehr schade. Aber ich bin gemeinsam mit meinen Eltern den Weg gegangen, und die Geschichte hat uns recht gegeben.“

ZUR PERSON

Marc Girardelli, 51, geboren in Lustenau, wechselte 1976 vom ÖSV zum Skiverband Luxemburgs. Heute ist der fünffache Gesamtweltcupsieger hauptberuflich für einen Hersteller von Geräten für die Gefäßtherapie in Liechtenstein tätig. [ APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

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