Die konservative österreichische Sozialdemokratie

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Gerhard Zeiler, die Linke und ein wenig Kreisky-Nostalgie: Die Sozialdemokratische Partei Österreichs sucht ihre Zukunft in der Vergangenheit.

Es gibt kaum etwas Konservativeres als linke Sozialdemokraten: Früher war alles besser, sagen sie sinngemäß. In der Vergangenheit, in der die sozialdemokratischen Werte noch zählten, es Vollbeschäftigung gab, Bruno Kreisky regierte und man an der FPÖ nicht einmal anstreifte.

Das stimmt natürlich schon einmal nicht. Gerade Bruno Kreisky hatte recht wenig Berührungsängste mit den Freiheitlichen. Die Vollbeschäftigung war zum Teil auf Pump erkauft und mittels einer verstaatlichten Industrie aufrechterhalten, die längst nicht mehr wettbewerbsfähig war.

Werner Faymann steht für seine linken Kritiker für all das: die Prinzipienlosigkeit, die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit, was linke Programmpunkte à la Vermögenssteuern betrifft, den Dammbruch in Richtung Rot-Blau (obwohl er das selbst ja gar nicht will).

Am gestrigen Sonntagnachmittag trafen sich diese linken Kritiker unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu einem „Rettungskongress“ in Wien. Gerettet werden soll die SPÖ. Wortführend dabei: die Chefin der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger und der neue Star der SPÖ-Linken, der Traiskirchner Bürgermeister, Andreas Babler. Das Ziel sei es, wie es in der Einladung heißt, „Verantwortung zu übernehmen, die notwendig ist, um den großen historischen Interessensanspruch dieser Bewegung für heute zu definieren und in die Praxis umzusetzen“. Also wieder: Beschwörung der Vergangenheit.

Analogien zu Syriza

Manche schrecken auch nicht davor zurück, die heutige Syriza-Regierung in Griechenland mit jener von Bruno Kreisky in den Siebzigerjahren zu vergleichen: Das, was einst Kreisky war, sei heute Tsipras. Eine Analogie zwischen Hannes Androsch und Yanis Varoufakis hat immerhin noch keiner herzustellen versucht. Das wäre dann vielleicht doch eine Spur zu verwegen.

Aber ein anderer Name aus der glorreicheren Vergangenheit der SPÖ ist nun aufgetaucht: jener von Gerhard Zeiler, einst Sprecher der Bundeskanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky, dann ORF-Generaldirektor und RTL-Chef, heute Präsident von Turner Broadcasting International in London.

Auch er will Verantwortung übernehmen. Wenn er gefragt würde. In einem „Kurier“-Interview sagt Gerhard Zeiler: Wenn die Entscheidungsträger der SPÖ ihn fragen würden, dann würde er nicht Nein sagen.

Es geht hierbei freilich nicht um den Posten des ORF-Generaldirektors, auf dem Werner Faymann Gerhard Zeiler laut „Österreich“ und „Krone“ angeblich gern sähe, sondern um den/die Posten von Werner Faymann selbst.

Noch sitzt Faymann einigermaßen fest im Sattel. Doch der Wind kann sich rasch drehen. Das hängt vor allem von Wien ab. Dem Vernehmen nach hat die Wiener SPÖ Umfragedaten, laut denen die FPÖ in Wien gefährlich nahe rückt. Und so kommt es heute, Montagabend, zum nächsten „Geheimtreffen“: Bürgermeister Michael Häupl will 700Funktionäre um sich scharen. Diese Konferenz hätte eigentlich erst im August stattfinden sollen und wurde nun vorverlegt, um die Wahlkampf-Mitstreiter auf das Duell gegen die FPÖ einzuschwören. Man kann davon ausgehen, dass der mangelnde Rückenwind aus der Bundespartei, der nicht zuletzt mit dem Parteivorsitzenden selbst zu tun hat, dort ebenfalls zur Sprache kommen wird.

Wenn Häupl will, stürzt Faymann

Wenn Michael Häupl das will, dann ist Gerhard Zeiler morgen SPÖ-Vorsitzender. Oder Christian Kern, der derzeitige ÖBB-Chef. Der dann wohl auch die Verantwortung spüren und übernehmen würde. Selbst die noch Faymann-treuen großen Wiener Flächenbezirke würden sich dann Michael Häupls Wunsch beugen. Immerhin haben alle die drohende Niederlage am 11.Oktober vor Augen. Und ein Wechsel an der Spitze der Bundespartei könnte die Stimmung vielleicht noch einmal drehen.

Eines ist allerdings gewiss: Die Parteilinke würde auch nach allfälligen Wahlerfolgen– oder besser gesagt: Begrenzungen von Wahlniederlagen – weiter murren. Denn eine wirklich linke Politik würden weder Gerhard Zeiler noch Christian Kern machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

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