SPÖ: Werner Faymanns Abgang auf Raten

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Herbe Wahlverluste, schlechte Umfragewerte und die Debatten über den Tabubruch einer rot-blauen Koalition im Burgenland bringen den Bundeskanzler und Parteichef in Bedrängnis.

Wien. „Wenn das einen Parteivorsitzenden der SPÖ beunruhigt, wäre er nicht der Richtige.“ Der Parteivorsitzende, der am Dienstag lästige Fragen nach dem Ministerrat beantworten musste, heißt Werner Faymann. Und mit „das“ umschrieb er die Debatten, die derzeit in und außerhalb der SPÖ geführt werden.

Über ihn und die Performance der Partei. Zu lang dauert die Schrecksekunde nach der Eisenstädter Koalition mit der bisher verpönten FPÖ schon. Zu alarmierend sind Umfragedaten, wonach die SPÖ nicht nur in Oberösterreich, wo bei der Wahl am 27. September die nächste Schlappe bevorsteht, sondern sogar bundesweit auf Platz drei abrutscht. Faymann selbst wiegelte am Dienstag also ab: Er fühle „sehr viel Unterstützung“. Und weiter: „Machen Sie sich bitte keine Sorgen, das gehört zur Normalität in der SPÖ.“ Zugleich bekräftigte er sein Nein zu einer Koalition mit der FPÖ im Bund und Unterstützung für die Wahlkampflinie des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl, der sich auf die FPÖ einschießt.

Wie es nun weitergeht? Drei Szenarien sind möglich:

1 Werner Faymann muss noch vor der Wien-Wahl am 11. Oktober gehen.

Geht es nach der Statistik, sind Faymanns Tage vor der Wien-Wahl am 11. Oktober gezählt. In der Steiermark hat die SPÖ fast neun Prozentpunkte verloren, im Burgenland mehr als sechs. Den steirischen Landeshauptmannsessel überließ man, aus welchen Gründen auch immer, Hermann Schützenhöfer und der ÖVP. „Eine Katastrophe“ nannte das Pensionistenchef Karl Blecha am Dienstag. Und im Burgenland überschritt Hans Niessl, ungeachtet aller Parteitagsbeschlüsse, die rote Linie zur FPÖ, um Landeshauptmann zu bleiben.

In Wien drohen ähnliche Verluste. Laut Umfragen liegt die SPÖ deutlich unter 40 Prozent. Bürgermeister Häupl würde von einem Wechsel an der SPÖ-Spitze profitieren. Auf diese Weise könnten Stammwähler, die Richtung FPÖ abwandern, und Intellektuelle, die durch Rot-Blau irritiert zu den Grünen wechseln, womöglich noch eingefangen werden. Sehr wahrscheinlich ist diese Variante nicht.

2 Werner Faymann muss erst nach der Wien-Wahl gehen.

Findet Häupl keinen Kandidaten für die Bundesspitze, der auf breite Zustimmung stößt und nicht neue Fronten eröffnet, wird er mit Faymann in die Wien-Wahl gehen (müssen). Ein Ergebnis unter 40 Prozent würde wohl beider Schicksal besiegeln. Und zwar gleich nach der Wahl. Rufe nach einem Neustart würden laut werden, da wie dort.

Mitentscheidend wird die Themenlage sein. Die Kombination aus Arbeitslosigkeit, Flüchtlingszahlen und chronischer Reformresistenz im Bund wurde der SPÖ in der Steiermark und im Burgenland zum Verhängnis. Mit glaubhaften Lösungsvorschlägen oder gar Lösungen könnten Faymann und Häupl vielleicht bestehen.

3 Werner Faymann bleibt (zumindest) noch diese Periode Kanzler.

Es wäre nicht das erste Mal, dass das Ende der Ära Faymann heraufbeschworen wird. Der Kanzler ist krisenfest, das hat er oft bewiesen. Wenn es nötig ist, sitzt er Probleme aus. Oder er kooperiert, machtpolitisch geschickt, mit dem Boulevard. Oder er versucht sich in Sachpolitik wie gerade am Dienstag, indem er in betontem Konsens mit der ÖVP Maßnahmen zur Deregulierung vorstellt und sich (endlich) des Flüchtlingsthemas annimmt.

Wie zäh Faymann ist, zeigt sein Verschleiß an ÖVP-Chefs. Reinhold Mitterlehner ist der vierte in sieben Jahren. Er könnte also auch diese Krise überstehen. Und zumindest bis 2018 bleiben. Auch deshalb, weil es keine Alternative gibt. Ex-ORF-General Gerhard Zeiler war in den vergangenen Jahren zu weit weg. ÖBB-Chef Christian Kern fehlt Regierungserfahrung. Brigitte Ederer würde ihre nicht gerade gewerkschaftsfreundliche Zeit als Siemens-Chefin zum Verhängnis. Rudolf Hundstorfer wäre allenfalls eine Übergangslösung. Bleibt Andreas Schieder. Doch wäre er der Leader, nach dem die SPÖ sucht? Intern wird das bezweifelt. Da könnte man dann doch lieber bei Faymann bleiben. Dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Und das ist auch die wahrscheinlichste Variante.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2015)

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