Reisen und Tourismus 2048: Mit der Menschenrohrpost zu Schlauchboothotels

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Wohin wird sich die Reisebranche im Jahr 2048 entwickelt haben? Prognosen und Visionen.

Der Blick in die Zukunft kann, ja muss, zu reizvollen Irrtümern führen! Mit gnadenlosem Schmunzeln begutachten wir die Zukunftsbilder des 19. Jahrhunderts, auf denen Dutzende Fluggefährte durch die Luft schweben oder die Menschen in technisierten Roboterwelten versklavt sind. Eine Sache springt uns immer ins Auge: Die Zukunft ähnelt ihrer Vergangenheit stärker, als die Utopisten uns weismachen wollen.

Und was sagen die Experten? Die müssen ja zumindest ahnen, was in 33 Jahren ablaufen wird. Der erste sieht sich als „Gestalter oder Designer von echter Erholung und echten Begegnungen“ – Christian Hlade, Chef von Weltweitwandern, klingt schon heute beinahe wie im Jahr 2048. Hlade sieht in jedem Problem eine Chance, düstere Bedenken sind seine Sache nicht: „Ich glaube, das Wort Krise sollten wir durch das Wort Dauerwandel ersetzen.“
Er hält selbstredend nichts vom „ökologischen“ Daheimbleiben. Wer ausschließlich Bahnreisen in die Nachbarländer propagiere, erzeuge nur Scheuklappen. Hlade geht es um den Kulturaustausch, den werde es 2048 sicher noch geben, es fehle nur „ein ökologisches Langstreckenverkehrsmittel. Solarflugzeuge?“, überlegt er. „Wasserstoff?“

Begeistert ist er von der Idee des Südafrikaners Elon Musk, der an einem Projekt namens Hyperloop arbeitet, bei dem Personen und Container in Kapseln durch ein Fast-Vakuum mit 1200 km/h durch Stahlröhren flitzen: „Urlaubsrohrpost mit Menschen? Ideal!“ Vorher müsse man jedoch noch wichtigere Probleme lösen: „Bis 2048 sollte es überall und für alle sauberes Wasser geben.“

Der Klimawandel werde Nordeuropa, England oder Irland attraktiv machen, dazu noch das Hochgebirge. Reisen in Gruppen werden weiter florieren. Am wichtigsten für Reiseveranstalter sei die Gestaltung des Urlaubserlebnisses: „Den Urlaub inszenieren, etwas Besonderes bieten.“ Der Tourist des Jahres 2048 wird hauptsächlich im Internet buchen, vor Ort wird es aber „extrem persönliche Betreuung ohne Netz“ geben. In Zukunft soll jeder auf diesem Planeten am Reiseglück beteiligt sein, „alles anderer wäre heftiger Postkolonialismus!“

Martin Bachlechner sitzt in seinem Büro, hinter ihm sieht man den Prater mit dem Riesenrad. Draußen Sonne. Am liebsten wäre der Ruefa-Chef jetzt am Wörthersee, im Restaurant Lakeside, gibt er zu. „Der Kunde der Zukunft sieht ja ziemlich galaktisch aus, hat es dauernd eilig, ist immer mit der Welt vernetzt.“ Für sein eigenes Unternehmen wird das Jahr 2047 interessanter werden als 2048, „da feiern wir im Palais Ferstel unser 130-jähriges Bestehen.“ Auch er setzt auf die Gruppenreise: „Die Maturanten werden die Zentralmatura im Club Summersplash machen, in Antalya oder Bali. Und Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek wird in ihrer Pension als Beraterin alles überwachen.“ Die wenigsten Sorgen macht er sich für Wien, dessen touristische Zukunft er als Hotspot der alten Bauwerke und der Wiener Philharmoniker gesichert sieht. Krisen werde es immer geben, „aber die Branche wird wie üblich jede Krise bewältigen“.

Schiffe für 10.000 Passagiere

Etwa mit Kreuzfahrtschiffen, die bis zu 10.000 Passagiere aufnehmen werden. „Aber ich werd mit einem ganz kleinen Schiff in die Antarktis fahren – maximal 200 Passagiere.“ Er glaubt nicht, dass das Internet alle Reisebürofunktionen übernimmt: „Der Kunde möchte in Zukunft noch mehr Kompetenz spüren. Nennen wir es menschliche Zuneigung – einfach ein Gegenüber.“

Als Drittes wollte ich Margit Ebner von der TUI befragen, doch die Kommunikation klappt nicht so gut, daher renne ich eilig zum Ersatzexperten nach Ottakring. Im zweiten Stock eines schäbigen Mietshauses sitzt der Reiseautor Martin Amanshauser, Autor der „Schaufenster“-Kolumne „Amanshausers Welt“ und Romanschreiber, auf einem Klippan-Sofa von Ikea. Er bietet mir ein graugrünes Heißgetränk in einer schmutzigen Tasse an und hält einen recht verworrenen Vortrag über den Unterschied zwischen Grüntee und Oolong-Tee. Auf 2048 angesprochen, verfinstert sich seine Miene. Er entwirft ein finsteres Bild der Reisezukunft des Jahres 2048.

Eine Krise hat die Städte zu abgeschotteten Zentren gemacht, in denen reiche Urbanos leben, die sich durchgängiger Stromversorgung erfreuen und am globalen Wirtschaftsleben teilnehmen, während die Territorien außerhalb von Independents bevölkert sind, die kleinere politische Gebilde unterschiedlicher Sicherheitslage bilden, in denen oft das Bandenunwesen herrscht. Europa steht unter einer Zentralregierung, die hohe Zustimmungswerte erreicht – die Nachfolgestaatsform der Demokratie. Diesel und Benzin sind verboten, der Privatverbrauch eingeschränkt, Autofahren als Hobby kostet hohe Yuan-Beträge, am Stadtrand gibt es dafür Gasoline Hells, nur Superreiche und Diplomaten machen noch Fernreisen.

Dafür gibt es in den Alpen Green Drives – vierspurige gesicherte Mountainbike-Strecken, am Wasser urlaubt man auch in Hoverboat-Hotels, schwimmenden Schlauchboothotels auf See. In Wien hat neben den nostalgischen Sehenswürdigkeiten eine World Maxi City großen Zulauf. Das populärste Reiseportal im staatlichen Internet heißt Eros Generation, die Nachfolgeseite des historischen Facebook nennt sich Live Generation und Teilnahme ist Pflicht. Die Senioren treffen sich auf Generation Plus. Das Tolle an der Welt im Jahr 2048: Nach den Zeiten des Blackouts und der Großen Epidemie ist der Tourismus endlich wieder im Aufschwung. Der österreichische Zusammenschluss gilt als einer der yuanstarken Gebiete und ist klimatisch bevorteilt, das alles gibt Anlass zur Hoffnung.

Und worauf gründen sich diese Visionen, frage ich den Reiseautor. „Erdacht und erfunden!“, grinst er und will mir noch einen Tee aufdrängen (nein, danke). „Es ist meine Berufskrankheit, Geschichten zu erfinden. Sie können sicher sein, es wird alles ganz anders.“

Reisen im Jahr 2048 – Sieben Thesen

1. Nach Norden, in den Süden. Durch den Klimawandel werden die nördlichen und südlichen Breitengrade für den Tourismus immer interessanter. Der Badetourismus hat sich in die einst gemäßigte Klimazone verlagert, hat aber geringeren Stellenwert, da man sich nicht mehr bräunen will. Weiße Hautfarbe ist wieder in Mode.


2. Erleben, nicht reisen. Wer es sich leisten kann, bucht Erlebnisse, nicht Reisen: Clubaufenthalte und Themenreisen, u. a. Wanderreisen, Umweltschutzreisen; Kreuzfahrts-Diversifikation.


3. Schneller fliegen. Private Motorisierung ist zu teuer, der Flugverkehr auf ein Viertel reduziert (Luxusreise: die New Concorde mit verdoppelter Fluggeschwindigkeit), Zugewinne der Eisenbahn.


4. Hyperloop. Menschen reisen in Kapseln durch Stahlröhren in einem Vakuum, Hyperloop hat die Welt verändert wie Google: Es existieren weltweit sechshundert Strecken, eine Fahrt ist deutlich günstiger als eine Flugreise.


5. Aus für das Auto. In den Städten sind Autos rar geworden, Sammeltaxis werden populär; anstelle des U-Bahn-Ausbaus wird die Straßenbahn forciert.


6. Renaissance historischer Flugarten: Der Zeppelin – von Paris nach NY in 60 Stunden – ist wieder gefragt.


7. Rückkehr der Stille. Die lauten, unangenehmen Rollkoffer sind von pneumatischen Luftdruck-Schwebetaschen abgelöst worden. Das Gleiche gilt für Skateboards.


Martin Amanshauser, geboren 1968, lebt in Wien und Berlin. Im Juli erscheint im Deuticke Verlag sein neuer Roman „Der Fisch in der Streichholzschachtel“.

www.amanshauser.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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