Wenn bremsen plötzlich so viel Spaß macht wie Gas zu geben

Elektroauto
Elektroauto(c) Bloomberg (Forbes Conrad)
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Wer elektrisch unterwegs ist, stellt seine gewohnte Fahrweise nach und nach um – ohne es zunächst überhaupt zu bemerken.

Autofahren als Kulturtechnik wird uns von klein auf beigebracht, lang bevor wir selbst ans Steuer dürfen. Wir beobachten von der Rückbank aus unsere Eltern hinter dem Lenkrad, verfolgen gespannt Verfolgungsjagden im Kino und wissen instinktiv, wie man richtig in einem Cabrio zu sitzen hat. Dieses Bild vom Autofahren, wie wir es kennen, hängt aber eng am Verbrennungsmotor.

Wie eng, merken wir erst, wenn wir erstmals mit einem Elektroauto unterwegs sind. Zuerst wird klar, welche Geräusche des Autos mit dem Motor zusammenhängen. Und welche mit den Reifen und dem Luftwiderstand. Erstaunlich, wie laut ein Auto ab 80km/h immer noch ist, auch wenn es völlig geräuschlos angetrieben wird.

Ebenso wie das Geräusch ist auch der Geruch untrennbar mit dem verbunden, was wir als Auto kennen. Ein Auto stinkt. Wie sehr, zeigt erst der Vergleich mit einem völlig emissionsfreien Wagen. Da fällt uns gleich als Parallele ein, wie störend wir es heute empfinden, wenn in einem Restaurant jemand raucht, was vor ein paar Jahren noch völlig normal gewesen ist.


Städte ohne Lärm und Abgase. Die Prognose ist nur mäßig gewagt: In absehbarer Zeit werden uns der Lärm und die Abgase eines Autos mit Verbrennungsmotor unmittelbar dort, wo Menschen wohnen und Kinder spielen (also vor allem auch im städtischen Ballungsraum), so fremd vorkommen wie Zigarettenrauch während eines Essens.

Fährt man dann zum ersten Mal in einem Elektroauto, ist man zunächst überrascht. Selbst in elektrisch betriebenen Kleinwagen kommt man an der Ampel deutlich schneller weg als in normalen Autos. Das fehlende Getriebe sorgt dafür, dass die Beschleunigung ohne die Unterbrechung des Schaltens stattfindet. Der Elektromotor ist immer „voll“ da, es gibt keine besseren und schlechteren Drehzahlbereiche wie beim herkömmlichen Autofahren. Was allerdings allen Elektroautos gemein ist: Oben ist abrupt Schluss. Die Höchstgeschwindigkeit liegt deutlich niedriger als bei Verbrennungsmotoren.


Fahren nach der Fahrradlogik. Am überraschendsten ist aber, wie sich nach kurzer Zeit unmerkbar die eigne Fahrweise umstellt. Ist man zunächst noch der Verbrennungsmotorlogik verpflichtet (so schnell wie möglich beschleunigen, kurz vor einem Hindernis stark bremsen etc.), übernimmt man rasch den Elektromodus, der dem Fahrradfahren ähnelt. Beim Bergabfahren versucht man Kraft zu sparen (Reichweite), sieht man in einiger Entfernung vor sich ein Hindernis, rollt man langsam darauf zu, um über Bremskraftrückgewinnung möglichst viel Energie wieder in die Batterie zurückzuladen. Das macht genauso viel Spaß wie Gas geben. Und lässt uns deutlich entspannter ankommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2015)

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