„Europa muss Kräfte bündeln“

Die EUFOR-Mission in Bosnien und Herzegowina, ein Beispiel militärischer Zusammenarbeit in der EU
Die EUFOR-Mission in Bosnien und Herzegowina, ein Beispiel militärischer Zusammenarbeit in der EUEPA
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Pro EU-Armee. Befürworter nennen friedenserhaltende Gründe, aber es geht auch um Geld.

Die Idee ist selbst für große Befürworter nur ein „Langzeitprojekt“ – aber eines, um das es sich zu kämpfen lohnt: Eine gemeinsame Armee in der Europäischen Union wäre für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das geeignete Instrument, um „glaubwürdig auf die Bedrohung des Friedens in einem Mitgliedsland oder einem Nachbarland der EU reagieren zu können“, wie er jüngst in einem Interview gesagt hat.

Für den Luxemburger ist die derzeitige Situation in der Europäischen Außen- und Verteidigungspolitik unbefriedigend; im Vergleich zur Gasp sei ein „Hühnerhaufen eine geschlossene Kampfformation“, spöttelte er. Deshalb bedauert Juncker auch, dass unter den Mitgliedstaaten keine Einigkeit über das von ihm unterstützte Projekt einer EU-Armee herrscht. Vor allem Großbritannien widersetzt sich den Plänen vehement. (siehe auch Artikel rechts). Deutschland gehört zu den größten Unterstützern einer tieferen Integration auf militärischer Ebene: Die „geballten Herausforderungen“ in der europäischen Sicherheitspolitik erforderten eine gemeinsame Antwort – so lautet das Credo der schwarz-roten Regierung.

Es geht auch ums Geld

Doch es sind nicht nur die unmittelbar drängenden sicherheitspolitischen Bedenken wie die Russland/Ukraine-Krise, die aus Sicht der Befürworter für eine EU-Armee sprechen. Es ist auch das Geld. So geben die 28 EU-Mitgliedstaaten jährlich insgesamt 186 Milliarden Euro für militärische Zwecke aus. Zum Vergleich: Für die USA beläuft sich die Summe auf mehr als das Dreifache (620 Milliarden Euro), für China allerdings auf nur 130Milliarden Euro. „Weil die astronomische Summe von 186Milliarden Euro aufgeteilt ist, ist der militärische Einfluss der Union als Ganzes gleich Null“, meint Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP in Brüssel. Er plädiert deshalb dafür, so bald wie möglich Strukturen für die Schaffung einer europäischen Armee zu errichten.

Hauptquartier für Einsätze

Karas' Vorschlag umfasst drei wesentliche Punkte: Zunächst ein EU-Hauptquartier für militärische Einsätze, das „Militäroperationen effektiv kontrollieren“ kann. Auch eine strukturierte Zusammenarbeit sei auf dem Weg zu einer engeren Sicherheits- und Verteidigungspolitik wesentlich – insbesondere, um „Ressourcen gemeinsam nutzen“ zu können. Zuletzt nennt Karas die Notwendigkeit eines Entscheidungsgremiums inklusive eines europäischen Verteidigungskommissars für die EU-Battlegroups: Diese sind in der Vergangenheit nie zum Einsatz gekommen, weil bisher der Konsens gefehlt hat. Ein Gremium all jener Verteidigungsminister, die eine vertiefte Zusammenarbeit wollen, könne künftig gemeinsam über Truppeneinsätze entscheiden, so die Idee des langjährigen EU-ÖVP-Politikers.

Während auf EU-Ebene eine Einigung über die Zusammenlegung von Kompetenzen in militärischen Fragen aber noch in weiter Ferne liegt, haben zwei Mitgliedstaaten bereits bilaterale Vereinbarungen über eine engere Kooperation getroffen. Die bündnisfreien EU-Nachbarn Schweden und Finnland bereiten ein Quasi-Militärbündnis vor – eine Blaupause für das große EU-Projekt? Noch 2015, haben die Verteidigungsminister verkündet, soll ein gemeinsames Konzept ausgearbeitet werden. Die Ausdehnung der Zusammenarbeit solle auch „Szenarios jenseits von Friedenszeiten beinhalten“, um auf die „gespannte sicherheitspolitische Lage in der näheren Nachbarschaft“ reagieren zu können. Im Ernstfall könnten zuerst die Luftwaffen beider Länder zusammengelegt werden, hieß es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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