Man muss ja nicht immer mit Partner oder Familie verreisen. Manchmal wird ein Urlaub allein erst richtig reizvoll. Ob beim Wandern, Yoga oder Schweigen. Oder, wie früher, mit Freunden am Meer.
Allein am Meer, am Berg, am See. Als Single in den Urlaub? Was vielleicht erschreckend einsam klingt, kann einen Urlaub erst so richtig reizvoll oder entspannend machen. Ohne Streit, ganz für sich allein oder gemeinsam in einer lustigen Gruppe. „Presse“-Autoren und ihre Lieblingsorte oder -arten des Urlaubs ohne Partner und Familie.
Allein vom See auf den Berg: Nur keine Reibereien
Zweisamkeit wird überschätzt. Urlaub auch. Wer das ganze Jahr im Stress steckt, möchte in der kargen Freizeit Reibereien, womöglich noch in einer Patchworkfamilie, über „Wohin?“ und „Was tun?“ vermeiden. Ein zufriedenes Singledasein ist einer turbulenten Partnerschaft vorzuziehen, speziell, wenn man nicht mehr jung ist. Man ist viel gereist – und nahe Ziele scheinen verlockender, als auf Ibiza auf die Pirsch zu gehen. Überhaupt, warum Pirsch? Sind die Kinder groß, kann es fein sein, allein wegzufahren, z. B. ins Salzkammergut. Der Attersee hat sich noch einen Hauch alter Sommerfrische bewahrt. In Aussee fühlt man sich bei Sturm sicherer als am Meer. Das behält aber auch für Alleinreisende seinen Reiz, mit seinem südlichen Flair: Sand, Meer, Pizza, Eis. Wer allein reist, bekommt mehr mit. Wer allein reist, ist sein eigener Herr. Kein Sonntagsdienst? Auf die Rax (für Fitte), ins Burgenland (für Faule) oder zu den bezaubernden Myrafällen nahe Piesting. Es ist erstaunlich, wie viel reizende Gegend es in Österreich gibt, den Wolayersee im Lesachtal (für sehr Fitte) oder Werfenweng im Salzburgischen. Dort können Couch-Potatoes mit der Seilbahn auf die Bichlalm fahren und nach Genuss des traumhaften Bergpanoramas und eines Blunzengröstls zu Tal schlendern – klingt wie aus dem Prospekt, ist es auch. BP
Yoga: Selbstliebe statt unglücklicher Liebe
Im Urlaub steigt der Grant als Single angesichts glücklicher Paare schon mal ins Unermessliche. „Ich brauche keine Zuneigung von anderen, ich übe das jetzt mit der Selbstliebe“, dachte ich mir damals trotzig, als ich erstmals einen Urlaub für ein Yoga-Retreat in der Türkei buchte. Nach einer Trennung das perfekte Programm: Bis zu drei Mal am Tag konnte man beim Yoga die Wut loswerden, Stress abbauen, ruhig werden. Dazwischen war Lesen oder Schwimmen angesagt. Wenn ich Ruhe wollte, hatte ich sie. Wenn mir nach Plaudern war, waren die anderen Teilnehmer da. Mittlerweile setze ich häufiger auf „Krieger und Kamele“ als auf Männer, um meine Mitte wiederzufinden – und weit fliegen braucht man für Yoga-Urlaube längst nicht mehr. Es gibt etliche Angebote in Österreich: vom Yoga-Retreat am Mondsee bis zum gemeinsamen Schwitzen auf einer Alm. ATH
Schweigen in Scheibbs: Den Alltag abschalten
Ständige Erreichbarkeit, der Dauerblick aufs Smartphone – für viele gehört das zum Alltag. Einmal im Jahr steige ich aus und ziehe mich für vier Tage zurück. Heuer fahre ich wieder zu einem sogenannten Schweige-Retreat (Schweige-Einkehr) ins Buddhistische Zentrum nach Scheibbs. Ein Buddhist muss man dafür nicht sein, aber mir gefällt die Ruhe dort. Auch lädt die Natur zu ausgedehnten Spaziergängen ein, und Scheibbs liegt nicht weit von Wien. Der erste Tag ist meist schwierig. Auch der Langschläfer wird frühmorgens mit einem Gongschlag geweckt. Das Tagesprogramm besteht aus Meditationen im Sitzen, Gehmeditationen, Essenszeiten, Arbeitsmeditation (wie Geschirr abwaschen) und Yoga. Die Kunst besteht darin, sich selbst auszuhalten. Die Ablenkungen des Alltags – Internet, Bücher, Telefon, Fernsehen, Familie und Freunde – sind weg. Das Handy bleibt, bis auf Notfälle, ausgeschaltet. Die Übenden tun einfach nichts und beschäftigen sich mit sich selbst. Das mag einfach klingen, doch in der Stille kommt vieles hoch – Angenehmes wie Unangenehmes. Jeder stellt sich seinen Gefühlen, Emotionen, Ängsten und Erwartungen. Eine Bereicherung ist der letzte Tag, an dem die Meditierenden ihre Erfahrungen austauschen. Die Teilnehmer sind bunt gemischt – vom Investmentbanker bis zur Pensionistin. Sie alle nutzen solche Tage als gute Gelegenheit, um aus dem Strudel des Alltags zu kommen und das eine oder andere zu reflektieren. HÖLL
Piran mit Freunden: Malerisch und rau
Hat man einmal Familie, ist man dankbar, wenn man ab und zu (und eh viel zu selten) allein wegkommt. Oder mit den besten Freunden, die im Grunde dasselbe wollen wie man selbst: ruhige Tage am Meer, Lesen, Schwimmen und abends ein gutes Glas Wein trinken (oder zwei). Piran, die kleine Stadt in Istrien, diese Miniaturausgabe Venedigs minus der Touristenmassen, ist für so einen Urlaub mit Freunden bestens geeignet. Partyort ist Piran keiner, Familien meiden sie wegen der felsigen Küsten und mangels Sandstrand, das Meer ist klar, alles ist ein bisschen rau und puristisch. Und das ist wunderbar so.
Man mietet ein Appartement, das im unglaublich pittoresken, autofreien Zentrum liegt (zum Beispiel in der Vila Piranesi direkt am Hafen), man isst und trinkt unverschämt günstig (auch wenn Piran längst kein Geheimtipp mehr ist), spaziert durch die engen Gässchen und sieht auf dem Tartiniplatz den bedächtig im Wasser liegenden Booten zu. Mehr davon! MPM
Klettern in Italien: Jährliches Ritual alter Freunde
Der Sommer beginnt pünktlich Ende Mai: Ab nach Italien! Zum Klettern, mit Seil und Schlingen, ohne Partner und Kind, gemeinsam mit Kletterfreunden. Geboren aus der Not, nie genug Zeit zu haben für sein Hobby, hat sich diese eine Woche Sizilien zu einem Fixpunkt entwickelt. Kaum dem Arbeitsstress entflogen, streckt man schon die blassen Beine unter den Campingtisch. Und wartet, mit einem Begrüßungsbier in der Hand, bis das Herz nachgereist ist auf die Terrasse vor dem Mobile Home auf dem Campingplatz El Bahira, zu den alten Freunden und neuen Bekannten, echten und geneigten Singles.
Konfliktpotenzial? Gäbe es. Doch der Mix aus fröhlichem Ferienlager und relaxter Großfamilie macht großzügig. Welche Touren machen wir morgen? S. holt den Kletterführer. Wer kauft morgen ein? Was brauchen wir alles? A. macht eine Liste. So wird gewerkt, gekocht, gegessen – kulinarisch bestens, um kein Geld. Auch an den Felsen: paradiesische Zustände. Immer jemand da zum Sichern, um die schweren Touren einzuhängen, zum Anfeuern, zum Reden. Und so kommen auch die alten Freunde, die zu jungen Eltern mutiert sind, wieder in eine Wand. Jedes Jahr ist anders, die Besetzung wechselt. Aber die fünf Gebote für den Urlaub bleiben gleich: Du sollst das Klettern, Essen, Baden, Ratschen und Relaxen so richtig genießen. DCM
Service
Für Yoga-Retreats muss man längst nicht mehr weit fliegen. In Österreich gibt es unzählige Angebote– von Yoga und Klettern bis Yoga und Malen, Yoga am See usw. Überblick unter yogaguide.at/urlaub-und-reisen.
Schweigen im Buddhistischen Zentrum Scheibbs ist in gemeinsamen Seminaren oder als Einzel-Retreat möglich. Die Kosten liegen bei etwa 49,50 Euro pro Tag. Info unter www.bzs.at
Klettern in der Gruppeist natürlich nicht nur privat organisiert möglich. Die alpinen Vereine bieten diverse Kletter-, Berg- und Wanderwochen: Info z. B. unter alpenverein.at. Die Naturfreunde bieten online auch eine Freizeitpartnerbörse: naturfreunde.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)