Von Tokio bis Rom: Die Hitzepole weltweit

Children cool down in a water fountain at a park in Tokyo
Children cool down in a water fountain at a park in TokyoREUTERS
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Um 150 € Eintritt ist in Tokio Abkühlung in Bädern zu haben. In Rom wacht die Polizei über die Brunnen der Stadt, auf dem Balkan kämpfen Einsatzkräfte gegen Waldbrände.

Tokio

Japan stöhnt und leidet. Mehr als 6000 Menschen wurden in der vergangenen Woche wegen der Hitze in Krankenhäuser eingeliefert. Sommer in Tokio lässt sich nur mit einer Sauna ohne Abkühlbecken vergleichen. Tropische Temperaturen, schweißtreibende Feuchtigkeit, schon am frühen Vormittag. Auch über Nacht fallen die Temperaturen kaum unter 30 Grad. Es kocht und flirrt über der engsten Stadt der Welt, und rund 40 Millionen Menschen im Großraum Tokio stöhnen den kollektiven Seufzer „Atsui, desu nee“ („Ist es nicht heiß?“). „Atsui desu“ („Es ist so heiß!“). Immer wieder bestätigen sich Bekannte und Kollegen im typisch japanischen Pingpong-Dialog diesen unbestreitbaren Tatbestand. Fast jeder Japaner wedelt mit einem Fächer oder hält ein Taschentuch, mit dem der Schweiß abgetupft wird.
Selbst die Pause wird zu Qual. Wohin der Hitze entfliehen in einer Metropole, die weltweit die wenigsten Parks und Freizeitanlagen aufweist? Inmitten der glitzernden Tokioter City erstreckt sich nur um den Kaiserpalast eine große grüne Oase. Aber der Sitz des Tenno ist für Normalsterbliche tabu. Tokios Schwimmbäder sind auch nur bedingt zu empfehlen. Die wenigen öffentlichen Pools bieten eher Badehorror. Dicht an dicht drängeln sich hier die Menschen, schwimmen ist unmöglich – im Wasser gibt es nur Stehplätze. An Wochenenden darf man sich hier ohnehin nur eine Viertelstunde am Stück einquetschen lassen. Dann ist per Pfiff des Bademeisters die nächste „Schicht“ an der Reihe. Es bleiben uralte Überlebenstaktiken: Die Japaner glauben, dass sie sich bei Hitze nur von kaltem Aal ernähren dürfen, der mit süßer Sojasoße übergossen wird. Angeblich hilft dessen hoher Proteingehalt dem empfindlichen Magen über die Runden. Wenn endlich die Sonne untergeht, zieht es die Japaner massenweise in gekühlte Restaurants oder luftige Biergärten auf den Dächern der großen Hotels. Dort hockt man vor eisgekühlten Krügen und redet über das Lieblingsthema: „Atsui desu ne“, „es ist ja so heiß“. (a.k.)

Berlin

Hoch „Finchen“ bringt die Hauptstadtbewohner ins Schwitzen, auf 38,3 Grad kletterte das Quecksilber etwa in Berlin-Schönefeld. Doch die Rekorde purzeln in diesem Sommer anderswo, nämlich in Bayern, genauer in Kitzingen, das seinen am 5. Juli eroberten Titel als „heißester Ort Deutschlands“ eindrucksvoll verteidigt hat, in der unterfränkischen 20.000-Einwohner-Stadt wurden gestern 40,3 Grad Lufttemperatur gemessen, der höchste Wert seit Beginn der flächendeckenden Wetteraufzeichnungen 1881. Zeitweilig war es in Deutschland sogar heißer, als im „17. Bundesland“ Mallorca, wie in Medienberichten staunend vermerkt wurde. (ag.)

Südosteuropa

Eine Atempause ist für die nach Abkühlung lechzenden Bewohner der Balkanhalbinsel noch nicht in Sicht. Nicht nur in berüchtigten Hitzehochburgen wie in Montenegros Hauptstadt, Podgorica, oder im bosnischen Mostar klettert das Thermometer schon seit Wochen immer wieder über die 40-Grad-Grenze. In ganz Südosteuropa fegt die Hitzewelle die aufgeheizten Asphaltpisten der entvölkerten Großstädte leer und füllt Badeseen und Meeresstrände. „Serbien brennt“, warnt aufgeregt das Belgrader Blatt „Alo!“ angesichts der „höllischen Hitze“: „Spielt nicht mit dem Feuer. Es drohen Brände!“ Tatsächlich sind Armeeflugzeuge und Feuerwehrkräfte zur Löschung von Waldbränden schon seit Wochen in der ganzen Region unermüdlich im Einsatz.
Während Hotels an der Küste über gute Auslastung jubeln, setzt der Balkanhochofen den daheim gebliebenen Bewohnern der Großstädte kräftig zu. Nicht nur ältere Menschen mit Kreislaufproblemen werden derzeit in die Notaufnahmen der Spitäler eingeliefert, auch Erntehelfer, Straßen- und Bauarbeiter leiden. Die Medien mahnen nun zu leichter Kost – und reduziertem Alkoholgenuss.

Rom

Die Römer haben ihrer Stadt längst den Rücken zugekehrt und sie den Touristen überlassen. Wer kann, flüchtet in die Berge oder ans Meer. Durch Temperaturen ähnlich wie in Wien lassen sich Rom-Urlauber aber nicht abschrecken und versuchen, ihr Besuchsprogramm zu absolvieren. Abkühlung in den vielen Brunnen der Stadt scheint da die willkommene Abwechslung. Doch damit riskiert man saftige Strafen. Die Polizei achtet darauf, dass niemand verbotene Bäder in den historischen Bauwerken nimmt. Ein Ärgernis sind auch die spärlich bekleideten Touristen, die in kurzen Hosen und knappen T-Shirts in die Kirchen der Stadt gelangen wollen. Im Vatikan wird genau kontrolliert, und wer zu wenig anhat, darf nicht in den Petersdom. Auf dem Petersplatz kühlt die Feuerwehr der Stadt regelmäßig mit Wasserfontänen aus Feuerwehrschläuchen die Gläubigen ab, die auf die Generalaudienz von Papst Franziskus warten. Die seit Wochen anhaltende Hitzewelle hat jedenfalls den Stromverbrauch im Land in die Höhe schnellen lassen. Im Juli wurde ein Allzeithoch erreicht: Der Bedarf war dank Klimageräten und Ventilatoren, die derzeit unerlässlich die heiße Luft durchschneiden, um 13,4 Prozent höher als im Juli 2014 – trotz horrender Strompreise. (zoe)

Paris

Die Hitzewelle in Europa im August 2003 ist als eine der schwersten Katastrophen in die Geschichte Frankreichs eingegangen. Nach dieser Tragödie, die auf mangelnde Vorbereitung und Organisation, aber auch unzureichende Einrichtungen in der Betreuung der älteren Mitbürger zurückzuführen war, haben die Behörden daraus Lehren gezogen. In den extrem heißen und trockenen Sommertagen vor zwölf Jahren starben rund 15.000 Menschen, vor allem ältere und gesundheitlich geschwächte Personen.

Kein Sport, aber eine Siesta. Wenn wie gegenwärtig die Temperaturen in verschiedenen Regionen Frankreichs auf 35 oder gar 40 Grad Celsius ansteigen, werden im Fernsehen die Zuschauer gleich bei der Wettervorhersage vor der drohenden „canicule“ gewarnt. Das bedeutet ursprünglich „Hundstage“, ist aber inzwischen zum Begriff des Alarmsignals bei besonders großer Hitze am Tag und bei Nacht geworden. Ebenfalls in den Medien werden dann die Bewohner der betroffenen Regionen davor gewarnt, unter praller Sonne Sport zu betreiben, oder sogar angehalten, von Mittag bis 16 Uhr Siesta zu halten. Den älteren Mitbürgern wird eingeschärft, in solchen Hitzeperioden regelmäßig und viel zu trinken. Denn die schlimmste Erfahrung von 2003 bestand darin: Viele Senioren sind an Dehydratation gestorben. Und das gilt es künftig auf jeden Fall zu vermeiden. (r.b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)

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