Vom Spaß, exotische Tiere zu schießen

Resident Autumn Fuller, 10, places a stuffed animal at the doorway of River Bluff Dental clinic in protest against the killing of a famous lion in Zimbabwe, in Bloomington, Minnesota
Resident Autumn Fuller, 10, places a stuffed animal at the doorway of River Bluff Dental clinic in protest against the killing of a famous lion in Zimbabwe, in Bloomington, Minnesota(c) REUTERS (ERIC MILLER)
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Wie der Schütze von Löwe Cecil in Simbabwe reisen jedes Jahr tausende Amerikaner und Europäer zur Trophäenjagd nach Afrika. Viele Tierschützer fordern ein Verbot des blutigen Geschäfts.

Tiere zu töten in Afrika – das ist immer sein Traum gewesen, seit Kindheitstagen. Lang schien der Wunsch unerfüllbar. „Ich tröstete mich damit, dass ich Hirsche, Gabelantilopen, Elche und Schwarzbären jagen konnte“, beschreibt der Kanadier im Internetforum africahunting.com, wo er unter dem Alias „Ragman“ bekannt ist. Dann aber starben mehrere seiner Freunde bei Autounfällen. „Das hat mich zum Umdenken gebracht. Das Leben ist keine Garantie, und wenn man nicht um seine Träume kämpft, ist es vielleicht irgendwann zu spät.“

Also kratzt „Ragman“ sein Geld zusammen und bucht eine Reise nach Namibia im südlichen Afrika. Wenige Monate später steht der kräftige 46-Jährige mit dem rötlichen Vollbart und dem runden Gesicht übermüdet und mit klopfendem Herzen in der kargen Landschaft und verfolgt mit einem Fährtensucher und einem lokalen Berufsjäger eine Herde Gemsböcke. Nie hatte er Lampenfieber beim Jagen, aber jetzt zittert seine Hand, als er das Gewehr auf einen prächtigen Bullen richtet. Es dauert einige Sekunden, bis das schwankende Fadenkreuz die richtige Stelle findet. Er drückt ab. „Der Gemsbock fiel um, als sei er von einem Blitz getroffen worden.“

Dann folgt das, was „Ragman“ als Höhepunkt empfindet: „Der Gang zum Tier nach dem Schuss ist immer mein Lieblingsteil bei der Jagd gewesen. Dieses Mal war es aber etwas ganz Besonderes. Was für ein unglaubliches Tier!“ Während seine Helfer sich in der Dämmerung aufmachen, um den Wagen zu holen, harrt „Ragman“ neben dem Kadaver aus und genießt ein Gefühl der Erfüllung. „Und da saß ich, am Abend meines ersten Jagdtages in Afrika, und beobachtete den Sonnenuntergang neben diesem wundervollen Bullen. Ich wollte, dass das nie zu Ende geht.“

Jäger in der Schusslinie. „Ragman“ ist nicht allein mit seinem Traum. Der Abschuss des Löwen Cecil in Simbabwe durch den US-Zahnarzt Walter Palmer hat eine Branche ins Rampenlicht gerückt, von der die westliche Öffentlichkeit sonst kaum etwas mitbekommt. Zuletzt hörte man in Europa von dem kolonialistisch anmutenden Großwildschießen, als sich der spanische (Ex-)König Juan Carlos bei der Elefantenjagd in Botswana die Hüfte brach. Und doch reisen tausende Nordamerikaner und Europäer jedes Jahr nach Südafrika, Namibia, Botswana, Tansania, Kenia und andere afrikanische Länder, um dort für viel Geld ihrem blutigen Hobby zu frönen.

Allein 15.000 US-Amerikaner sind es pro Jahr, schätzen Aktivistengruppen, und mehr als 3000 Jagdtouristen aus Europa. Auf Internetseiten wie africahunting.com berichten sie detailreich von den Jagderlebnissen und präsentieren unter dem Applaus der anderen Forenmitglieder ihre Trophäenfotos. Diese zeigen meist alternde Männer in sandfarbenen T-Shirts und Khaki-Hosen neben sorgfältig arrangierten toten Antilopen, Zebras, Giraffen oder Löwen. Manchmal sind auch junge Frauen dabei, die mit Gewehr oder Armbrust in der Hand in die Kamera strahlen. Die Tiere landen später dann ausgestopft in den Wohnzimmern der stolzen Abenteuertouristen.

Viele afrikanische Länder erlauben den Abschuss von Arten, die als bedroht gelten. Dazu gehören Löwen, Nashörner und Elefanten; ihre Zahl hat sich durch Wilderei und den Schwund ihres Lebensraumes dezimiert. In elf afrikanischen Staaten ist es legal, Löwen zu jagen. In Südafrika, dem größten Markt für Jagdsafaris, sterben jedes Jahr rund 1000 der begehrten Raubtiere durch den Schuss eines Jagdtouristen aus Europa oder den USA. Die Mehrheit der Tiere wird dort gezielt dafür gezüchtet und dem zahlenden Kunden (Preise: von 10.000 US-Dollar aufwärts) in eingezäunten Gehegen überlassen – Stichwort Gatterjagd. Die Zahl der wild lebenden getöteten Löwen liegt bei über 500 pro Jahr in Afrika.

Flugverbote. Tierschützer wie der Verein Pro Wildlife warnen vor „fatalen Auswirkungen für das Überleben“ von Arten durch „diese widernatürliche Auslese“ und fordern Jagd-, Handels- und Einfuhrverbote. Große Fluglinien haben inzwischen reagiert: Ein gutes Dutzend hat in den vergangenen Wochen angekündigt, Jagdtrophäen von Löwen, Leoparden, Elefanten, Nashörnern und Büffeln nicht mehr zu befördern. Dazu zählen Air France, British Airways, die Lufthansa und auch die US-Linien Delta, United und American Airways. Das Unternehmen South African Airways, das im April als Erstes ein solches Verbot aussprach, hat die Regelung inzwischen wieder zurückgenommen, auch wegen des Drucks von Lobbygruppen wie der Vereinigung der südafrikanischen Berufsjäger (Phasa).

Befürworter der Trophäenjagd argumentieren, sie trage zum Artenschutz bei, verhindere Wilderei und spüle Geld in die Kassen der armen afrikanischen Länder. Daran ändert auch der Tod des inzwischen weltweit bekannten Löwen aus Simbabwe nichts.

Emmanuel Fundira, Präsident der Vereinigung der Safari-Anbieter in Simbabwe (SOAZ), nennt die Tötung von Cecil empört ein „Verbrechen“ und einen „Mord an einer Ikone der Foto-Branche“.Im Gespräch mit der „Presse“ schimpft er: „Das war kaltblütig und rücksichtslos.“

Maßnahmen gegen Wilderei. Nach dem Vorfall – der Löwe wurde aus dem Hwange-Nationalpark gelockt und dann vermutlich illegal abgeschossen – ist in Simbabwe einiges in Bewegung gekommen. Neben der strafrechtlichen Verfolgung der lokalen Helfer und dem Antrag, den US-Schützen Walter Palmer an Harare auszuliefern, hat die Regierung des umstrittenen Präsidenten, Robert Mugabe, ein Jagdverbot in der Gegend um den Nationalpark erlassen. „Wir haben auch die Kontrollen gegen Wilderei von geschützten Tieren verschärft und arbeiten gerade daran, eine Stiftung der Freunde von Cecil auf die Beine zu stellen, um Geld für den Artenschutz zu sammeln“, sagt Fundira. Doch er sieht keinen Grund, die Trophäenjagd infrage zu stellen – im Gegenteil: „Trophäenjagd ist ein wichtiges Mittel für den Artenschutz, verleiht dem Erhalt der Wildtiere einen Wert und stellt eine direkte Verteidigungslinie gegen Wilderei dar.“ Die vielen Jagdtouristen, die Simbabwe jedes Jahr besuchen, um auf einer der mehr als 500 Safari-Farmen Tiere zu erlegen, sorgen laut Fundira für Einnahmen von rund 100 Millionen US-Dollar pro Jahr. „Es werden direkt 800.000 Familien unterstützt, und die Branche bringt mehr als 10.000 Menschen Arbeit.“

Den wirtschaftlichen Nutzen zweifeln Kritiker an. Eine Studie des Thinktanks Economists at Large, die 2013 Daten aus mehreren afrikanischen Ländern analysierte, kommt zu dem Schluss, dass nur drei Prozent der Einnahmen aus der Großwildjagd bei den lokalen Gemeinden landen.

In Simbabwe, sagen aber selbst Aktivisten, sei das anders. Trevor Lane stellt im Gespräch mit der „Presse“ klar: „Mit Jagd habe ich nichts zu tun.“ Lane ist einer der renommiertesten Tierschützer des Landes. Vor fünf Jahren hat er mit seinem Kollegen Stephen Long die NGO Bhejane Trust gegründet, die sich dem Schutz des Spitzmaulnashorns widmet. Weil aber die Nationalparks verfielen und weder genug Geld noch Expertise vorhanden war, um das zu ändern, helfen die Männer heute bei der gesamten Erhaltung der Parks und ihres Tierbestands.

Außerhalb der Nationalparks sind die weitläufigen Safarigebiete in Simbabwe generell Jagdgebiete. „Wir haben hier nicht den Luxus großer finanzieller Mittel, um diese Gebiete zu schützen. Sie müssen sich selbst erhalten.“ Doch die Zahl der Touristen ist viel zu niedrig, um das leisten zu können. Und viele der Gegenden eignen sich nicht für Fotosafaris: Das dichte Buschwerk macht es schwierig, die dort lebenden Tiere zu sichten.

Trophäenjäger sind dagegen dankbare Kunden. Ein Programm namens Campfire, das ländliche Gemeinden unterstützt, soll sicherstellen, dass mit den Einnahmen Schulen, Gesundheitsstationen und andere Projekte finanziert werden. Indem man die Gebiete auf diese Weise erhalte, sichere man das Überleben der Wildtiere und der lokalen Bevölkerung, sagt Lane. „Man muss pragmatisch sein. Entweder man lässt die Jagd auf einige wenige Tiere zu – oder man verliert alle. Das ist das Dilemma, vor dem wir stehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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