Aufgrund der schwierigen Lage der Weltwirtschaft leitete die US-Notenbank die Zinswende noch nicht ein. Sie bleibt aber dabei, dass sie heuer noch kommen soll. Klar ist, dass sie in jedem Fall sehr behutsam stattfinden wird.
Wien. Die jüngsten Entwicklungen in China könnten die globale Konjunktur negativ beeinträchtigen. Die Risken für die US-Volkswirtschaft seien zwar weitgehend im Griff, man müsse aber auch die „Entwicklungen im Ausland“ beobachten. Mit diesen Worten begründete die US-Notenbank Fed am Donnerstagabend die Entscheidung, den Leitzins unverändert auf dem am 16. Dezember 2008 eingenommenen Niveau von null bis 0,25 Prozent zu belassen.
Allerdings bekräftige die Zentralbank unter Führung von Fed-Chefin Janet Yellen erneut ihren Willen, noch heuer eine erste Zinsanhebung durchzuführen und somit die Zinswende einzuleiten.
Fast Vollbeschäftigung in USA
Denn der wichtigste Grund dafür, dass die Fed bereits seit Monaten immer öfter durchklingen lässt, dass sie die Zinsen nach fast einem Jahrzehnt erstmals wieder anheben wird, ist nach wie vor gegeben. Das Wachstum der US-Wirtschaft ist seit längerer Zeit robust, wie etwa der Vergleich mit der Eurozone zeigt (siehe Grafik). Noch wesentlicher als die BIP-Wachstumsrate sind dabei vor allem die Arbeitslosenzahlen. Und diese befinden sich seit Jahren auf einem kontinuierlichen Sinkflug. Waren im Jahr 2010 noch knapp zehn Prozent der Amerikaner ohne Job, so sind es nun nur mehr knapp über fünf Prozent. Da es rein statistisch immer eine gewisse Zahl an Arbeitssuchenden geben wird, sprechen Ökonomen daher bereits von Vollbeschäftigung.
Zu dieser deutlichen Erholung der US-Wirtschaft hat eben auch die Niedrigzinspolitik der Fed beigetragen. Denn durch die Senkung der Zinsen wurden einerseits Kredite günstiger, was Firmen erleichtert, Investitionen zu finanzieren. Andererseits ist es für Privatpersonen weniger attraktiv, ihr Geld zu sparen, da sie real (also inflationsbereinigt) dabei mitunter sogar verlieren. Dies treibt wiederum den Konsum an.
Allerdings kann billiges Geld auch zu Blasen führen. Dies war etwa in der Niedrigzinsphase zwischen 2001 und 2005 so, als das Geld vor allem in den US-Immobilienmarkt floss und dort zu Fehlallokationen führte, die schlussendlich der Auslöser für die Finanzkrise im Jahr 2008 waren.
Blase an den Aktienmärkten?
Nun gibt es zunehmend die Sorge, dass das billige Geld zu einer unnatürlichen Aufblähung an den Aktienmärkten geführt hat und weiterhin führt. So ist der europäische Aktienindex Eurostoxx seit der Senkung der Zinsen auf ihr derzeitiges Rekordtief um gut 70 Prozent gestiegen, der US-Index S&P 500 verdoppelte sich seither sogar. Diese Steigerungen könnten Blasen sein, die früher oder später platzen, weshalb die Notenbanken die Leitzinsen rechtzeitig wieder anheben müssen, meinte unlängst der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn.
Bis zum Sommer wurde daher allgemein angenommen, dass die Fed die Zinswende in jedem Fall im September starten würde. Seither hat sich aber vor allem in Schwellenländern wie China und Brasilien das Wachstum deutlich abgekühlt. Und in diesen Ländern würde eine Zinsanhebung in den USA die Probleme weiter verschärfen, so die Befürchtung. Dann würde nämlich Kapital in Richtung Vereinigte Staaten abfließen und so für notwendige Investitionen in den Schwellenländern fehlen. Und dies könnte eine ökonomische Abwärtsspirale weiter verschärfen.
Besonnenheit von Fed verlangt
Zuletzt mehrten sich daher auch Stimmen, die von der Fed große Besonnenheit bei der Zinswende verlangten. „Bevor die Zinsen angehoben werden, sollte jegliche Unklarheit über die zugrunde liegenden Daten beseitigt sein“, meinte etwa IWF-Chefin Christine Lagarde Anfang September. Es wäre ein großer Fehler, die Zinsen zu früh anzuheben, nur um sie nachher wieder senken zu müssen.
Und auch die OECD, die am Mittwoch von den USA zwar eine Anhebung gefordert hat, um die Unsicherheit auf den Finanzmärkten zu beenden, stellte dabei gleichzeitig klar, dass weniger der genaue Zeitpunkt der Zinswende entscheidend sei, als vielmehr, dass sie nicht zu schnell und kräftig ausfällt. Ein Zinsschock könnte nämlich nicht nur den Schwellenländern Probleme bereiten, sondern auch auf den Finanzmärkten zu einem Crash führen.
Es ist somit klar, dass die Zinswende – die nun für den Dezember erwartet wird – vor allem ein symbolischer Schritt sein wird, der auf die konkrete Gesamtverzinsung von Kapital möglichst wenig Einfluss haben soll, um auf den Märkten möglichst wenig Wellen zu schlagen. Gleichzeitig wird sie ein starkes Signal an die globale Wirtschaft, dass die USA sich wieder stark genug fühlen, um den Dauer-Krisenmodus zu beenden. Eine Entscheidung, der langfristig auch andere Zentralbanken folgen werden (müssen).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2015)