»Freiheit und Veränderungen wird uns der Papst nicht bringen«

Als Auftakt seiner Amerika-Tour landete Franziskus am Samstagabend in Kuba. Wie sehr der Argentinier seinen Besuch politisch gewichten wird, ist noch unklar. Kubas Opposition erhofft sich wenig.

Eines konnte die katholische Welt in den vergangenen zweieinhalb Jahren lernen: Dieser Papst ist stets für eine Überraschung gut. Am Donnerstag, kurz vor dem Abflug nach Havanna, nahm Franziskus eine Videobotschaft für Kubas Gläubige auf. Alle Welt, und offenbar auch enge Mitarbeiter wie der vatikanische Staatssekretär Pietro Parolin, hatten damit gerechnet, dass die Reise nach Kuba und in die USA vor allem politischen Inhalt haben werde. Und dann sprach Jorge Mario Bergoglio in seinem singenden argentinischen Spanisch: „Ich möchte zu euch kommen als Missionar der Barmherzigkeit Gottes.“

Und, im Vorgriff auf seine Aufwartung bei der Schutzpatronin der Antilleninsel: „Ich werde zum Heiligtum der Jungfrau vom Kupfer gehen wie ein einfacher Pilger, wie ein Sohn, der sich sehnt, heimzukehren ins Haus der Mutter.“ Was der Papst unerwähnt ließ, ist die Aufwartung bei Kubas langjährigem politischen Patron. Ein Treffen mit Fidel Castro stand nicht im offiziellen Programm, aber es galt vor Abflug als fix, dass beide einander treffen werden, wahrscheinlich bald nach der Landung am Samstag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe). Franziskus bleibt bis Dienstag auf Kuba. Nach zwei Tagen in Havanna will er in den Osten fliegen und die Städte Holguín und Santiago besuchen.

Che schaut zu. Als sicher darf gelten, dass der Argentinier einem Landsmann gegenübertreten wird. Das gigantische Porträt des Che Guevara überragt den Platz der Revolution, der seit Tagen voll bestuhlt ist, hier wird der Papst am Sonntag die Messe feiern. Bei diesem Stelldichein wird auch Cristina Kirchner nicht fehlen: Fünf Wochen vor der Wahl ihres Nachfolgers möchte die Präsidentin nicht das Foto mit dem wahrscheinlich wichtigsten Argentinier auslassen, den sie daheim „el papa peronista“ nennen. Denn, das ist nicht nur Kirchner klar: Bei allen frommen Worten wird bei diesem Besuch auch ordentlich Politik gemacht.

Mit seinem Doppelbesuch in Havanna und Washington will der Pontifex jene historische Brücke zementieren, die er bis vorigen Dezember im Verborgenen schlagen half. Erst am Freitag rief Barack Obama bei Raúl Castro an, um weitere Erleichterungen des Handelsembargos gegen Kuba anzukündigen; beide Präsidenten waren dem Vernehmen nach voll des Lobes für den erwarteten Staatsgast.

In der allgemeinen Anerkennung ging freilich fast unter, dass ein Treffen mit Kubas Opposition nicht auf dem Programm des Papstes steht. Tatsächlich hat sich Kubas Kirche, wohl auch bedingt durch die Mittlerrolle ihres Oberhauptes, in den vergangenen Jahren immer weiter an die Führung angenähert. Das manifestiert sich in Aussagen von Kardinal Jaime Ortega, des Erzbischofs von Havanna. Er forderte mehrfach in purer Castro-Diktion ein endgültiges Ende der „Blockade“ durch die USA. Im Juni verstieg sich Ortega gar zur Aussage, auf Kuba gebe es keine politischen Gefangenen, was vonseiten der Regimegegner Empörung auslöste.

„Er ist kein Befreier.“ Berta Soler, die Führerin der oppositionellen „Damen in Weiß“ sagte, einigermaßen ernüchtert: „Kuba braucht Veränderungen und Freiheit. Die Freiheit wird uns nicht der Papst bringen, denn er ist kein Befreier. Und die Veränderungen auch nicht, sie müssen in Kuba stattfinden, und die müssen wir Kubaner ins Werk setzen.“

Die Entfremdung ist bemerkenswert, weil auch die Kirche jahrzehntelang zu den Verfolgten der Castro-Revolution gehört hat. Kirchen wurden zu Museen und Hörsälen, Geistliche als Konterrevolutionäre verfolgt und ausgewiesen. 1960 gab es sechs Millionen Katholiken auf Kuba, um die sich 700 Priester sorgten. „Die Castros hatten den Plan, den Klerus auf 200 zu limitieren“, sagte der Geistliche Agustín Román vor Jahren der spanischen Zeitung „El País“. Das, so hofften sie, würde die Kirche so schwächen, dass sie allmählich verschwände.

Erster Kirchenbau seit der Revolution.Die Konfrontation zwischen Kommunisten und Klerus wich einem pragmatischen Umgang nach dem Kuba-Besuch von Johannes Paul II. 1998. Ab dann war die Kirche nicht mehr Teil der Opposition, sondern wurde Mittler zwischen Regime und Opposition. In dieser Funktion konnte Erzbischof Ortega die sukzessive Freilassung Oppositioneller aushandeln, die 2003 inhaftiert worden waren, damals kommandierte noch Fidel Castro. Als Benedikt XVI. 2012 die Insel besuchte, war die Kirche noch im Neutralmodus. Nun scheinen neue Zeiten angebrochen zu sein. Ende August wurde im Westen Havannas der erste Kirchenneubau seit der kubanischen Revolution begonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2015)

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