Erst Großmufti brachte Hitler auf die Idee, Juden zu vernichten.
Jerusalem. Als wären die täglichen Kämpfe zwischen Israel und Palästinensern nicht dramatisch genug, verliert sich der Konflikt nun auch noch in Tiefen der Geschichte und der Religion. In besonders trübe historische Gewässer begab sich Israels Premier Netanjahu. In einer Rede vor dem Zionistischen Weltkongress behauptete er, erst der frühere Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, habe Hitler auf die Idee gebracht, die Juden zu „verbrennen“. Hitler habe Juden zunächst nicht auslöschen, sondern ausweisen wollen. Eine krasse Verzerrung des Holocaust. Dina Oprat, Leiterin der Jerusalemer Yad-Vashem-Gedenkstätte, stellte klar, dass Hitler Juden schon lang vor dem Treffen mit dem Großmufti (November 1941) mit Vernichtung gedroht hatte.
Religionsstreit in Unesco
Ägypten, Kuwait, Marokko, Algerien, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Staaten brachten unterdessen einen Antrag in der UN-Kulturorganisation ein, in dem sie den gesamten Platz vor der Jerusalemer Klagemauer als „Buraq Plaza“ und „integralen Bestandteil“ der Al-Aksa-Moschee und des heiligen muslimischen Bezirks Haram-al-Sharif bezeichneten.
Israel protestierte, Unesco-Direktorin Bokova warnte, die Spannungen anzuheizen. Schließlich wurde die Buraq-Plaza-Passage aus der Resolution gestrichen. Im Text blieb jedoch eine „scharfe Verurteilung israelischer Aggression gegen die Freiheit der Religionsausübung“ in heiligen Stätten des Islam. Der Beschluss fand eine Mehrheit, 26 Nationen stimmten zu, Deutschland, Großbritannien, die Niederlande, Tschechien dagegen. Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Schweden und 20 andere Staaten enthielten sich.
Daniel Kapp, Obmann des Klubs der Freunde Israels, ist über den ursprünglichen Antrag entsetzt: „Seit Jahrhunderten beten Juden an der Klagemauer. Sie als Teil der Al-Aksa-Moschee zu bezeichnen ist absurd. Ein weiterer Versuch der Palästinenser, den territorialen Konflikt mit Israel mit islamistischen Motiven religiös aufzuladen und zu eskalieren.“ (cu/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2015)