„Altes Geld“: Spiel mit Gier und Dekadenz

TV-Start f�r David Schalkos neuestes Serien-Highlight ´Altes Geld´
TV-Start f�r David Schalkos neuestes Serien-Highlight ´Altes Geld´(c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
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Der ORF lud vor dem Start der Serie „Altes Geld“ zum Diner. Sunnyi Melles sprach dort über Haltung, Geld und über den „Philosophen“ David Schalko.

Viel war am Mittwoch im Kellergewölbe des Planter's Club von Mut und Haltung die Rede. Mut beweist ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner, die David Schalkos hochgelobte Serie „Altes Geld“ ab 2. November im Hauptabendprogramm abspielt. ARD und ZDF haben sich noch nicht dazu durchringen können, diese ebenso bösen wie tragischen Figuren ins Programm zu heben, eine Serie über einen dem Tod geweihten Patriarchen und seine habgierige Familie. Zechner hält den 20.15-Uhr-Termin nicht für gewagt, schließlich sei „die Realität tausendmal gewagter“: Die Dekadenz, die Verächtlichkeit anderen Menschen gegenüber, wie sie Schalko hier irritierend darstellt, seien „gesellschaftszerstörend“. Gerade deshalb sei das Thema wichtig. „Wir trauen uns was. Wir überzeichnen, damit Irritation entsteht – mit Fokus auf dieses Thema, das die Gesellschaft sprengt.“

Was aber sprengt die Gesellschaft? Die Gier. Das Geld. Da ist sich Sunnyi Melles sicher. Sie spielt die ätherische, psychopathische zweite Ehefrau des Patriarchen, Stiefmutter der missratenen Nachkommen. Ein schwarzer Engel, der wie alle nur auf eines aus ist: das Erbe. Die damit einhergehende Niedertracht, der Verrat am anderen, an der Familie, sei etwas, was im Grunde jedem Menschen aus jeder gesellschaftlichen Schicht innewohnt, ist Melles überzeugt – und zitiert Georg Büchner: „Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet?“ Deshalb sei diese Serie so irritierend, weil man sich immer wieder selbst erkennt. Und weil es kein klares Gut oder Böse gibt.

Die Gesellschaft leide an diesem „Geschwür“, meint Melles: „Das Geld ist das Geschwür, und die Gier und die Macht.“ Im Film zieht der Patriarch der Familie (Udo Kier als arrogantes Alphatier) die Fäden – bis sie ihm das Schicksal aus der Hand nimmt. Todkrank muss er erkennen, dass man sich alles kaufen kann – nur nicht wahre Liebe, echte Freundschaft oder das Leben. Autor und Regisseur David Schalko inszeniert den Wettlauf um die rettende Niere (wer sie beschaffen kann, bekommt das ganze Erbe) als Aufmarsch egozentrischer, manipulativer, koksender, inzestuöser, sexbesessener Persönlichkeiten – ein erschreckendes Bild menschlicher Abgründe. Bei ihm, sagt Melles, sind alle gleich: „Er ist mit allen auf Augenhöhe – mit allen Schauspielern und allen anderen im Team.“ Keiner spielt eine Nebenrolle, Schalko „schaut auf jeden von uns wie mit einem Brennglas“, alle sind wichtig in dem sich zersetzenden Familienbiotop.

Shakespeare, Goethe . . . Schalko

Als Schalko an der Serie schrieb, dachte er an Melles in der Rolle der Stiefmutter. Das sei „ein Geschenk“, sagt sie. „Er verlangt einem Haltung ab.“ Gelernt hat sie die ihre von der Mutter, die 1956 mit Mann und Kindern aus Ungarn fliehen musste. „Wir waren 15 Jahre lang ohne Pass in der Schweiz. Das war ein hartes Leben als Flüchtling.“ Schalko habe diese Haltung in ihr gesehen: „Meine Mutter hat immer gesagt: Gib niemals auf und nimm alles mit Humor.“ Schalko beweist in „Altes Geld“ auch Humor, ohne daraus eine Satire zu machen. „Er ist – wie Shakespeare oder Goethe – ein großer Philosoph“, findet Melles. „Er ist ein Sprach- und Gedankenkomponist. Bei ihm wird zwischen den Zeilen gedacht.“ Der Zuschauer werde gefordert, man könne sich nicht einfach nur berieseln lassen. „Es muss provozieren. Es muss irritieren. Es muss unterhalten.“ Das wirkt. Vielleicht wird „Altes Geld“ also doch noch zum Skandal? „Warum sollte das so sein? Das Leben ist eben skandalös, manchmal.“

AUF EINEN BLICK

„Altes Geld“ ist eine achtteilige Serie von Autor und Regisseur David Schalko („Braunschlag“). Es spielen u. a. Udo Kier und Sunnyi Melles (Patriarch und Ehefrau), Nora von Waldstätten, Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey (Kinder), Thomas Stipsits, Ursula Strauss, Robert Palfrader, Simon Schwarz, Cornelius Obonya und Herbert Föttinger. Zu sehen ab 2. 11., montags (20.15 h), ORF eins.

Sunnyi Melles ist Studiogast bei „erLesen“ (20. 11., ORF III) und „Willkommen Österreich“ (3. 11., ORF eins), spielt in „Dr. Klein“ (27. 11., ZDF) und „Soko Stuttgart“ (17. 12., ZDF).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2015)

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