Vier Theorien: Warum ist Flug 9268 in Ägypten abgestürzt?

RUSSIA EGYPT METROJET PLANE CRASH AFTERMATH
RUSSIA EGYPT METROJET PLANE CRASH AFTERMATH(c) APA/EPA/YURI KOCHETKOV (YURI KOCHETKOV)
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Der Betreiber der russischen Unglücksmaschine macht äußere Faktoren für den Absurz verantwortlich. Ein Überblick über mögliche Ursachen der Katastrophe.

Moskau/Kairo. Der Absturz des russischen Ferienflieger über dem Sinai gibt Rätsel auf. Drei Tage nach dem Unglück tappen Experten weiter im Dunkeln. Der Vizechef der russischen Fluggesellschaft Kogalymavia, Alexander Smirnow, sagte am Montag, „mechanische Einwirkung“ sei für den Absturz verantwortlich. Von einem Anschlag wollte er nicht sprechen: „Es kann alles gewesen sein.“ Zumindest die Spekulationen dürfte er damit weiter anheizen. Am Sonntag haben russische Ermittler erklärt, der Flieger mit 224 Menschen an Bord sei schon in der Luft zerbrochen. Das sind die möglichen Szenarien:


Mechanischer oder technischer Defekt.
Der Airbus A321, 18 Jahre alt und bereits durch mehrere Hände gegangen, war im Jahr 2001 unter einem der libanesischen Vorbesitzer bei einer Landung in Kairo mit dem Heck aufgekommen und schwer beschädigt worden. Nach Angaben des russischen Flugbetreibers konnte das Flugzeug komplett repariert werden. Doch bei Mängeln bei der Reparatur kann ein solcher Tailstrike auch Jahre später noch verhängnisvolle Folgen haben: Bleibt ein Schaden, zum Beispiel ein Riss in der Außenhaut, zurück, kann es in der Luft zu einer explosiven Dekompression kommen, ähnlich einer Bombenexplosion. Der Flugzeugrumpf kann dem Innendruck der Kabine nicht mehr standhalten, das Flugzeug zerbricht in der Luft. Mindestens zweimal kam es nach einem solchen Tailstrike noch Jahre später zu Flugzeugkatastrophen: 1985 bei einer Maschine der Japan Airlines (520 Tote) und 2002 bei einem Flug von China Airlines (225 Tote).

Einen technischen Defekt hielten sowohl die russischen als auch die ägyptischen Experten zunächst für die wahrscheinlichste Variante. Es tauchten Berichte auf, wonach der Pilot ein technisches Problem gemeldet und um eine Notlandung gebeten habe. Dem widersprach am Sonntag der ägyptische Luftfahrtminister, Mohamed Hossam Kamal: Der Funkverkehr sei ganz normal gewesen, bis er abbrach. Laut der russischen Fluggesellschaft verfügte das Flugzeug über alle Zertifikate. Auch sei die Maschine erst vor Kurzem gewartet worden. Die Frau des Kopilotenberichtete dagegen, ihr Mann habe noch kurz vor Abflug am Telefon über den technisch schlechten Zustand des Fliegers geklagt.


Eine Explosion.
Wenn technisches oder mechanisches Versagen ausgeschlossen werden kann, halten Experten eine Bombenexplosion für möglich. Radikale Islamisten haben Russland wegen dessen Engagements in Syrien mit Racheaktionen gedroht. Ein Extremist könnte eine Bombe an Bord geschmuggelt und in der Luft gezündet haben. Bisher gibt es keine Hinweise auf ein solches Szenario. Die Sicherheitsvorkehrungen in Sharm el-Sheikh gelten als ausreichend.

Abschuss durch eine Rakete
. Der Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nordsinai hat am Wochenende behauptet, das Flugzeug abgeschossen zu haben und als angeblichen Beweis auch ein Video ins Internet gestellt, das zeigt, wie ein großes Flugzeug am Himmel getroffen wird und in die Tiefe stürzt. Sowohl russische als auch ägyptische Experten halten diese Behauptung aber für unglaubwürdig. Das Flugzeug hat sich nach ägyptischen Angaben bereits in fast 9500 Metern Höhe befunden. Die Extremisten auf dem Sinai verfügten nicht über Raketen, die Flugzeuge in einer solchen Höhe treffen könnten, sagte Premier Sherif Ismail. Eine Quelle aus der ägyptischen Kommission, die die Daten der Flugschreiber analysiert, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Maschine sei „nicht von außerhalb getroffen worden“. Die Quelle, die keine weiteren Details nennen wollte, bezog sich dabei auf eine vorläufige Auswertung der Black Box. Die Untersuchung wird noch einige Tage dauern.
Ein Pilotenfehler.
Menschliches Versagen hat die russische Fluggesellschaft von Anfang an ausgeschlossen: Mit 12.000 Flugstunden sei der Pilot sehr erfahren gewesen. Auch die russische Justiz hat nach eigenen Angaben keine Indizien, dass es bei der Besatzung Probleme gegeben haben könnte. „Die Piloten und Stewards sind vor dem Start in Sharm el-Sheikh medizinisch geprüft und für flugtauglich erklärt worden“, hieß es am Sonntag. Wenn die Angaben stimmen, dass das Flugzeug in der Luft zerbrach, gilt diese Variante als unwahrscheinlich. (raa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2015)

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