Wie die Hypo „gesund“ gemacht wurde

HYPO-U-AUSSCHUSS
HYPO-U-AUSSCHUSS(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

900 Millionen Euro hat die Hypo Alpe Adria 2008 an staatlichem Partizipationskapital erhalten. Die Nationalbank hatte davor nur vier Tage Zeit, eine Bewertung abzugeben. Trotzdem wurde ein Persilschein ausgestellt.

Wien. Schon ein Jahr vor der Notverstaatlichung hat die Hypo Alpe Adria Staatshilfe bezogen: Im Dezember 2008 wurden 900 Millionen Euro an Partizipationskapital ausbezahlt – Mittel, die durch die Pleite der Bank natürlich auch verloren sind. Wie es dazu kam, sollte am Mittwoch im Untersuchungsausschuss geklärt werden. Der Zeuge Peter Breyer hatte damals eine Schlüsselrolle: Der Nationalbankprüfer sollte damals begutachten, ob und zu welchen Konditionen die Hypo Kapital erhält.

Die Vorgaben kamen von der EU-Kommission: Staatliche Beihilfen durfte es nur für systemrelevante Banken geben. Und es musste unterschieden werden, ob eine Bank als „sound“ (gesund) oder „distressed“ (Not leidend) einzustufen ist. Letztere mussten höhere Zinsen zahlen und sofort einen Restrukturierungsplan vorlegen.

Die Rolle Breyers ist schon länger bekannt, weil schon vor dem Untersuchungsausschuss sein E-Mail-Verkehr an die Öffentlichkeit gespielt wurde. Einem Kollegen hatte er geschrieben, dass die Hypo „niemals als finanziell sound zu bezeichnen“ ist. Und, mit einigem Weitblick: Man müsse bedenken, dass in einigen Jahren Untersuchungsausschüsse und Gerichtsverfahren folgen könnten. Als „distressed“ wollte er die Bank allerdings auch nicht klassifizieren. Und so kam es zur Einführung einer dritten Kategorie, die dem Finanzministerium alles offenließ. „Not distressed“.

Wie man inzwischen weiß, hat die Hypo Alpe Adria alles darangesetzt, an günstiges Staatsgeld zu kommen – und das zu den besten Bedingungen. Im Aufsichtsrat hieß es, man müsse alles daransetzen, als „sound“ bewertet zu werden. Dazu gehörte einerseits das Versprechen des Eigentümers, der BayernLB, 700 Millionen Euro an Eigenkapital zuzuschießen, wenn der Staat Partizipationskapital einbringt. Andererseits aber auch eine Gewinnprognose für das Jahr 2009, die so optimistisch gestaltet war, dass die Staatskommissärin, sonst meist nur stille Beobachterin im Aufsichtsrat, bei der Finanzmarktaufsicht Alarm schlug: Diese Gewinnprognose sei, vor allem angesichts der beginnenden Wirtschaftskrise, nicht nachvollziehbar. Die Gewinne kamen nämlich dadurch zustande, dass die Risikovorsorgen gekürzt wurden.

Gutachten in vier Tagen

Die Aufgabe, die Bank zu bewerten, übertrug das Finanzministerium der Nationalbank, was an sich schon hinterfragenswert ist, wäre das doch eine typische Aufgabe für die Finanzmarktaufsicht gewesen. Ob man sich im Finanzministerium erwartete, von der Nationalbank eher das gewünschte Ergebnis zu erhalten als von der FMA, wie manche Abgeordnete vermuteten? Sicher ist jedenfalls, dass die Prüfung unter extrem schwierigen Bedingungen stattfinden musste: Breyer und sein Team hatten genau vier Tage Zeit, zu einem Urteil zu kommen. „Eigentlich hätte man eine Due-Diligence-Prüfung machen müssen“, sagte Breyer vor dem U-Ausschuss.

Eine derartige Prüfung des tatsächlichen Zustands der Bank hätte aber drei bis fünf Wochen gedauert. In vier Tagen konnten lediglich die Daten, die die Bank selbst vorgelegt hatte, auf Plausibilität überprüft werden. Und da war das Urteil Breyers ähnlich jenem der Staatskommissärin: Die Zahlen seien sehr optimistisch angesetzt und könnten lediglich in einem Best-Case-Szenario eintreffen. Gegen die kurze Dauer der Prüfung habe er sich aber nicht wehren können – das sei der Auftrag gewesen.

Keine Bank war „gesund“

Warum dann die Bank nicht als „distressed“ bewertet wurde? Man sei sich bewusst gewesen, dass die Nationalbank nicht leichtfertig Urteile treffen kann. Die Hypo sei zwar „sicher nicht sound“ gewesen, aber als „distressed“ habe man sie auch nicht einstufen können, weil sie alle aufsichtsrechtlichen Vorgaben erfüllt habe. Dass das Finanzministerium Einfluss auf die Bewertung genommen habe, stritt Breyer ab. Übrigens ist keine einzige Bank, die damals um Partizipationskapital angesucht hat, also auch nicht Erste Bank oder Raiffeisen, als „sound“ bewertet worden.

Letztlich hat sich Breyer an das gehalten, was seine Vorgesetzte, Karin Hrdlicka – sie ist heute, Donnerstag, Zeugin im U-Ausschuss –, in einem internen Mail festgehalten hat: Eine explizite Aussage, ob eine Bank wirtschaftlich gesund ist, sei heikel: „Nach Möglichkeit würden wir hier für eine verbale Umschreibung plädieren, ohne explizit eine Ja/Nein-Aussage zu treffen.“ Das Finanzministerium hat die „verbale Umschreibung“ so interpretiert, dass die Hypo das Kapital zu den Konditionen für gesunde Banken bekommen hat. Restrukturierungsplan musste somit keiner vorgelegt werden, und die dramatische Lage der Bank wurde erste ein Jahr später bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

In 78 Sitzungen hat der Hypo-U-Ausschuss 124 Zeugen befragt. Jetzt liegt der Entwurf für einen Endbericht zur Pleite der Kärntner Landesbank vor.
Österreich

Hypo: Das Versagen von Prölls Experten

Der Bericht des U-Ausschusses kritisiert die Kärntner Politik sowie Finanzmarktaufsicht, Nationalbank und Beamte von Ex-Finanzminister Pröll.
HYPO-U-AUSSCHUSS: FEKTER
Österreich

Hypo-Bericht: Reform von Landeshaftungen "unerlässlich"

Das fehlende Länder-Insolvenzrecht gebe "führt zu Fehlanreizen", kritisiert Verfahrensrichter Walter Pilgermair in seinem Berichtsentwurf zum Hypo-U-Ausschuss.
Österreich

Eine Bilanz: 600 Stunden Hypo-U-Ausschuss

Der erste Untersuchungsausschuss nach der neuen Geschäftsordnung zeigte ein Versagen der Kärntner Landespolitik und Fehler der Finanzminister auf.
Österreich

Ditz zur Hypo: "Hätte die Anleihen zurückzahlen können"

Ex-Aufsichtsratschef kritisiert Ablehnung der Bad Bank.
HYPO-U-AUSSCHUSS: DITZ
Österreich

Hypo-U-Ausschuss: Ditz kritisiert frühere Regierung

Dass die damalige Finanzministerin Fekter 2012 keine Bad Bank einrichtete, "war ein entscheidender Fehler", sagte Ex-Hypo-Aufsichtsratschef Ditz.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.