Der Industrielle Hannes Androsch warnt vor einer Vermögenssteuer – sie würde die Industrie voll treffen.
Wien (eid). „Die Sozialdemokratie hat zu lange verabsäumt, sich zu Europa zu bekennen – und jetzt traut man ihr auch nicht zu, die Krise bewältigen zu können.“ Der ehemalige SPÖ-Finanzminister und Vizekanzler und jetzige Industrielle Hannes Androsch geht mit seinen Parteigenossen hart ins Gericht.
Angesichts seiner Überzeugung, dass „wir die Talsohle erst 2010 erreichen und nach einer anämischen Besserung erst 2013 das Produktionsniveau von 2008 erreichen“, traut Androsch der rot-schwarzen Regierung nur bedingt zu, die erforderlichen Konjunkturbelebungsmaßnahmen zu setzen. „Ich hege nach Ernst Bloch noch immer das ,Prinzip Hoffnung‘“, ätzte Androsch am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Wenn er allerdings an die Lehrer- und die CERN-Debatte denke, dann schwinde diese Hoffnung.
Daher fordert Androsch ein auf Forschung und Bildung konzentriertes drittes Konjunkturpaket und einen breiten Reformschub in der Verwaltung, bei Spitälern und Krankenkassen sowie Schulen. Das würde 20 Mrd. Euro bringen. „Die Rettung besteht nicht in Strukturkonservierung“, erinnerte Androsch an die Verstaatlichte: Dort seien 100 Mrd. Schilling und 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, weil man nichts ändern wollte. Statt „zerstörerischer Erhaltung und Konservierung“ brauche Österreich „schöpferische Zerstörung und soziale Arbeit“.
Die Wiedereinführung der Vermögens(zuwachs)steuer, wie sie derzeit in SPÖ-Kreisen gefordert wird, lehnt Androsch total ab. Kapitalerträge und die Spekulation mit Aktien und Immobilien würden bereits besteuert, eine neue Vermögenssteuer würde die Betriebe noch mehr belasten. Der Industrielle, der beim steirischen Leiterplattenhersteller AT&S, beim Flugzeugzulieferer FACC, bei den Salinen, bei Bwin und der HTI beteiligt ist, weiß um die fatalen Folgen einer Steuerdiskussion: „Am leichtesten verliert man Wahlen mit neuen Steuern.“
Betriebe in der Kreditklemme
Die europaweite Erosion in der Industrie hänge seiner Meinung nach auch damit zusammen, dass die Banken die vom Staat zur Verfügung gestellten Milliarden bunkern statt der Industrie Kredite zu geben, ortet Androsch. „Ich hoffe, dass das AMS Kärnten mit seiner Prognose von 500.000 Arbeitslosen nicht recht behält.“
Dass er selbst an der Misere mit schuld sei, hört er nicht gern. Androsch, Großaktionär und Aufsichtsratspräsident des steirischen Leiterplattenproduzenten AT&S, wurde wegen der Ankündigung von 300 Kündigungen just drei Tage vor der EU-Wahl von seiner Partei heftig kritisiert, das habe den Genossen bei der Wahl geschadet.
In der Steiermark gebe es 15.000 Menschen in Kurzarbeit und 10.000 neue Arbeitslose, „da können es die 300 von der AT&S nicht gewesen sein“, widerspricht Androsch dem steirischen Landeshauptmanns Franz Voves (SPÖ). Man solle außerdem nicht Wasser predigen und Wein trinken, verwies Androsch auf die der steirischen SPÖ nahe stehende Druckerei Leykam. Dort wurde die Produktion nach Slowenien verlagert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2009)