Burma: „Wir wollen, dass sich das System ändert“

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Die erste Parlamentswahl nach 25 Jahren verlief ohne größere Zwischenfälle. Ein Sieg der Demokratischen Partei von Oppositionschefin Aung San Suu Kyi wird erwartet, offizielle Ergebnisse gibt es aber erst Montag.

Naypyidaw/Rangun. Das südostasiatische Land Burma (Myanmar) hat erstmals seit 25 Jahren frei ein Parlament gewählt. Das Votum am Sonntag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen verlief ohne größere Zwischenfälle. Die Wahllokale schlossen um 16 Uhr Ortszeit (10.30 Uhr MEZ), es wird erwartet, dass die Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi die meisten Stimmen erhalten wird. Amtliche Resultate sollen aber erst im Lauf des heutigen Montags bekannt werden.

Mehr als 30 Millionen Menschen in dem Land, das im UN-Entwicklungsindex 2014 nur auf Rang 150 von 187 Staaten liegt, waren zur Wahl gerufen. Die Wahlbeteiligung soll etwa 80 Prozent betragen haben. Nun entscheidet sich, ob das Land nach mehr als 50 Jahren die Dominanz des Militärs abschütteln kann. Rund 10.000 Beobachter waren im Land, um den Wahlablauf zu prüfen. Tausende Kandidaten von insgesamt 91 Parteien stellten sich den Parlaments- und Regionalwahlen.

Ikone mit autoritären Zügen

Bereits vor Tagesanbruch warteten die Menschen in langen Schlangen vor den Wahllokalen. „Ich habe für diejenige gestimmt, die das Volk regieren sehen will“, sagte der 74-jährige Myint Aung. „Wir wollen, dass sich das System ändert“, so der pensionierte Hochschullehrer Khin Myint Myint.

Auch Suu Kyi kam – landestypisch gekleidet und mit den zu einem ihrer Erkennungszeichen gewordenen Blumen im Haar – in ein Wahllokal in Rangun. Sie hofft, durch einen Sieg ihrer NLD den demokratischen Neubeginn in Burma besiegeln zu können. Die Partei hat bereits 1990 die Parlamentswahl gewonnen, das Militär hat das aber nicht anerkannt.

Zuletzt trübten jedoch Aussagen der Friedensnobelpreisträgerin die demokratischen Aussichten und versetzten ihr selbst einige Kratzer: Das neue Parlament wird nämlich 2016 einen neuen Präsidenten bestimmen; Suu Kyi darf gemäß der vom Militär oktroyierten Verfassung nicht für das Amt kandidieren, weil ihre direkten Angehörigen eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Doch sagte die 70-Jährige kürzlich, dass sie jedenfalls die Regierung führen und nur einen Staatschef akzeptieren werde, der „in Übereinstimmung mit der Politik der NLD arbeitet“. Beobachter deuteten das als Zeichen einer beginnenden Selbsterhöhung und eines autoritären Kurses.

Wie reagiert das Militär?

Vor vier Jahren wurde die Militärherrschaft beendet und die Macht formal an eine zivile Regierung unter dem ehemaligen Junta-Führer General Thein Sein übertragen. Mit Spannung wird nun abgewartet, ob das Militär bei einer Niederlage wirklich die Macht abgibt. Thein Sein hat zugesichert, das Ergebnis anzuerkennen. „Aber das heißt nicht, dass auch die Leute hinter ihm dem folgen“, mahnt Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Im Parlament ist ein Viertel der Mandate Militärs vorbehalten. Daher benötigt die von den Streitkräften unterstützte Regierungspartei Union der Solidarität und Entwicklung (USDP) nur rund ein Drittel der Mandate, um gemeinsam mit den Militärs die Mehrheit zu haben. Das Militär hat auch sichergestellt, dass es Zugang zu Schlüsselpositionen in Ministerien und Wirtschaft hat.

Manipulationen noch möglich

Bei einem knappen Ergebnis zwischen NLD und USDP könnten die vielen Kleinparteien Königsmacher werden. Viele von ihnen vertreten ethnische Minderheiten im buddhistisch dominierten Burma.

Wahlbeobachter fanden keine besonderen Vorkommnisse, es gab aber Kritik, dass die im Vorfeld schon erfolgte Stimmabgabe der bis zu 500.000 Militärangehörigen nicht kontrolliert werden konnte. Am Sonntag hieß es, dass Manipulationen unter Umständen noch bei Transport und Auszählung der Stimmzettel möglich seien. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2015)

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