Burma: Der Triumph der Nobelpreisträgerin

Feiert lächelnd ihren Sieg: Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.
Feiert lächelnd ihren Sieg: Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.(c) Bloomberg (Dario Pignatelli)
  • Drucken

Suu Kyis Partei rechnet nach den Wahlen mit einem Erdrutschsieg. Nun droht ein Machtkampf mit den Generälen.

Bangkok/Rangun. Nur kurz zeigte sich Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi am Montag ihren Fans. „Abwarten“, sagte sie von ihrem Balkon aus. Und lächelte: Einen Tag nach der historischen Parlamentswahl in Burma deutete alles auf einen Erdrutschsieg ihrer oppositionellen Nationalliga für Demokratie (NLD) hin. Laut Hochrechnungen der NLD kann die Partei nach der ersten freien Parlamentswahl gar mit mehr als 70 Prozent der Parlamentssitze rechnen.

Anhänger der Opposition harrten den gesamten Tag über vor der Parteizentrale der NLD in Rangun aus und verfolgten die Ergebnisse, die ab dem Nachmittag einliefen. Selbst ein kurzer Platzregen trübte nicht die feierliche Stimmung der NLD-Unterstützer: Auf Aufnahmen war zu sehen, wie sie jedes Mal jubelten und zu singen begannen, wenn weitere Ergebnisse über einen riesigen Fernseher liefen.

Führende Mitglieder der regierenden Einheitspartei für Solidarität und Entwicklung (USDP), der Partei der Generäle, gestanden schon früh ihre Niederlage ein. „Landesweit haben wir in einigen Teilen gewonnen und in anderen verloren“, sagte Parteichef Htay Oo. „Aber wir haben mehr verloren, als wir gewonnen haben.“

Positive Signale der Armee

Sollte sich die Führung des Landes, die fast ausschließlich aus Armeeoffizieren besteht, an das Wahlergebnis halten, dann steht Burma vor einer Zeitenwende. Zum ersten Mal seit 1990 hätten die Burmesen in einer freien Abstimmung ihre Regierung selbst bestimmt. Schon 1990 hat die NLD einen alle Erwartungen übertreffenden Erdrutschsieg errungen. Die Generäle erkannten das Wahlergebnis damals jedoch nicht an. Sie stellten Suu Kyi unter Hausarrest, nahmen viele ihrer Parteifunktionäre und Unterstützer fest und stürzten das Land für weitere zwei Jahrzehnte in Dunkelheit. Die Wahlen 2010 boykottierte die NLD, weil Suu Kyi unter Hausarrest stand. Die Wahl war allen Beobachtern zufolge nicht frei.

Zumindest sendet die Armee diesmal positive Signale: Armeechef Min Aung Hlaing unterstrich zwar, dass das Militär auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Politik einnehmen werde. Zugleich betonte er, dass er das Ergebnis respektieren werde, falls das Votum „frei und gerecht“ erfolgt sei.

Eines steht allerdings bereits fest: Aung San Suu Kyi wird nicht Präsidentin werden können. Die Politikerin hat die vergangenen Jahre erfolglos versucht, die Abgeordneten des Unterhauses zu Verfassungsänderungen zu bewegen. Sie selbst sitzt dort seit einer Nachwahl 2012 als Abgeordnete. Ihr Problem: Burmas Generäle haben in ihrer 2008 erlassenen Verfassung festgelegt, dass der Präsident einen „Armee-Hintergrund“ haben muss und keine nahen Angehörigen haben darf, die eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen. Der Artikel ist auf Suu Kyi zugeschnitten: Sie war bis zu dessen Tod mit dem britischen Akademiker Michael Aris verheiratet, und auch ihre beiden Söhne haben die britische Staatsbürgerschaft.

„Bescheiden und großmütig“

Ein letzter Versuch Suu Kyis, die betreffenden Verfassungsartikel zu ändern, scheiterte vor wenigen Wochen. Aus gutem Grund: Die Hürde für Verfassungsänderungen haben die Generäle mit einer Dreiviertelmehrheit bewusst immens hoch angesetzt. Da ein Viertel der Sitze im Parlament für Soldaten reserviert sind, steht die NLD allein schon rechnerisch auf verlorenem Posten. Vor wenigen Tagen erklärte Suu Kyi, sie beabsichtige – trotz aller Einschränkungen – das Land nach einem Sieg anzuführen. Dabei werde sie die Richtung in der Politik angeben. Der zukünftige Präsident werde ihr Folge leisten. In bestimmten Machtzirkeln innerhalb der Armee dürfte das gar nicht gut angekommen sein.

Es wird Tage dauern, bis das endgültige Wahlergebnis bekannt wird. Der sich abzeichnende Erdrutschsieg der NLD könnte dabei das erste Kapitel einer Konfrontation zwischen den demokratischen Kräften und der Armee bedeuten. Denn sollte sich die Hochrechnung bestätigen, dass die NLD auf mehr als 70 Prozent aller Parlamentssitze kommt, könnte sie über die Köpfe der Armee und der geschlagenen USDP hinweg Gesetze erlassen. Dass es so kommen könnte, deutete Suu Kyi gestern an. Die Wähler hätten das Ergebnis „verstanden“, sagte sie. „Die Verlierer müssen sich dem Ergebnis tapfer und ruhig stellen. Die Gewinner müssen bescheiden und großmütig sein.“

Auf einen Blick

Die Oppositionspartei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi steuert bei der ersten freien Parlamentswahl in Burma seit 25 Jahren auf einen Erdrutschsieg zu. Suu Kyis Nationalliga für Demokratie (NLD) teilte am Montag mit, nach eigenen Hochrechnungen auf Kurs zu sein und mehr als 70 Prozent der zur Verfügung stehenden Sitze erobert zu haben. Dies würde ausreichen, um die 25-prozentige Sperrminorität des Militärs im Parlament auszuhebeln und die erste demokratisch gewählte Regierung in dem südostasiatischen Land seit Anfang der 1960er-Jahre zu bilden. Die militärnahe Regierungspartei USDP räumte ihre Niederlage ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Die „eiserne Lady“ Asiens

Aung San Suu Kyi ist fast am Ziel ihrer Träume.
Suu Kyi nahm vergangenes Wochenende nach jahrelangem Hausarrest an Parlamentswahlen teil.
Außenpolitik

Burma: Absolute Mehrheit bei Parlamentswahlen für Suu Kyi

Mit 348 von 657 Mandaten im Parlament darf die Partei der Friedensnobelpreisträgerin den Präsidenten stellen - und damit die Macht des Militärs schwächen.
Es ist nicht sicher, ob das Militär die Wahlen anerkennen wird.
Außenpolitik

Suu Kyi ruft Armee zu "nationaler Versöhnung" auf

Die Friedensnobelpreisträgerin will ein Treffen mit dem Präsidenten und dem Armeechef anberaumen. Ihr Wahlsieg scheint nach neuen Ergebnissen wahrscheinlich.
Außenpolitik

Wahlen in Myanmar: Suu Kyi steht vor historischem Sieg

Die Regierung räumt ihre Niederlage ein. Die Opposition dürfte deutlich gewonnen haben. Der Weg zum wichtigen Präsidentenamt bleibt Suu Kyi vorerst verwehrt.
MYANMAR-POLITICS-ELECTION
Außenpolitik

Burma: „Wir wollen, dass sich das System ändert“

Die erste Parlamentswahl nach 25 Jahren verlief ohne größere Zwischenfälle. Ein Sieg der Demokratischen Partei von Oppositionschefin Aung San Suu Kyi wird erwartet, offizielle Ergebnisse gibt es aber erst Montag.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.