Der türkische Premier Davutoğlu will Luftschläge mit Bodeneinsatz kombinieren. Bisher hat Ankara die Strategie verfolgt, syrische Rebellen zu stärken, die gegen Machthaber Bashar al-Assad kämpfen.
Ankara/Wien. Noch im Sommer wurde der Einsatz von Bodentruppen kategorisch ausgeschlossen: von den USA, der Türkei und anderen Staaten, die Mitglied der Allianz gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) sind. Mittlerweile ist die Entsendung von Soldaten kein Tabu mehr: Der türkische Premier Ahmet Davutoğlu erklärte gegenüber dem Sender CNN, dass „eine integrierte Strategie mit Luftschlägen und Bodentruppen“ gegen den IS nötig sei. Die Türkei könne da nicht allein handeln.
Bisher hat Ankara die Strategie verfolgt, syrische Rebellen zu stärken, die gegen Machthaber Bashar al-Assad kämpfen. Mehrere tödliche Anschläge in der Türkei, die dem IS angelastet werden, dürften den bisherigen Regierungsstandpunkt geändert haben. Jetzt will die Türkei offenbar selbst Soldaten schicken. Der Sturz Assads scheint für Davutoğlu auch weiterhin Priorität zu haben. Die Entsendung von Bodentruppen müsse über den Kampf gegen den IS hinausgehen, so der Premier. Zudem sprach er sich erneut für die Errichtung einer Schutzzone auf syrischem Gebiet aus, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollen. In der Frage der Schutzzone bröckelt angesichts der Flüchtlingskrise ebenfalls das kategorische Nein der Anti-IS-Allianz. Ein sicherer Ort für Flüchtlinge in der Region wird nun gemeinhin befürwortet. Doch was passiert mit den Kurden, die in dieser Zone leben und für Autonomie kämpfen? Der türkischen Regierung wäre es recht, die kurdischen Kämpfer zu schwächen und zu verdrängen.
Syrien-Konferenz am Samstag
Erst Ende Oktober gab der US-Verteidigungsminister Ashton Carter bekannt, dass Bodentruppen gegen den IS möglich seien. Entsendet wurde bisher eine kleine Elitetruppe von 50 Soldaten, die vor allem die syrischen und kurdischen Milizen beraten sollten. Russland hat in Eigenregie ebenfalls Soldaten in Syrien stationiert. Derzeit führt die Anti-IS-Koalition vorwiegend Luftschläge gegen den IS, war damit bisher aber kaum erfolgreich.
Auf diplomatischer Ebene wird der syrische Bürgerkrieg erneut in Wien ein Thema sein: Am Samstag beginnt die nächste, noch größere Runde der Syrien-Konferenz, an der die Außenminister von Russland, den USA, den Regionalmächten wie Saudiarabien und dem Iran, Vertreter der EU, UNO und erstmals Australien teilnehmen werden. Über die Agenda der Konferenz ist wenig bekannt. UN-Sondergesandter Staffan de Mistura hat den Auftrag, Verhandlungen zwischen dem Regime Assads und der Opposition einzufädeln. Diese Gespräche sollen aber nicht in Wien, sondern in Genf stattfinden.
Ausgeklammert bleibt nach wie vor die Frage, ob und welche Rolle Machthaber Bashar al-Assad spielen soll. Während der Iran und Russland ihre schützenden Hände über ihn halten, fordert die Türkei seine Absetzung. „Die Frage ist nicht, wie lang Assad bleiben wird, die Frage ist, wann Assad gehen wird“, so Premier Davutoğlu gegenüber CNN. Ein Frieden sei mit ihm nicht möglich. (duö/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)