Am Syrien Konflikt sei nichts Plötzliches. Er habe sich jahrelang zwischen Sunniten und Alewiten aufgeschaukelt, sagt der Intellektuelle al-Azm.
Bevor am Samstag in Wien rund 20 Länder über Lösungen im Syrien-Konflikt beraten werden, ist für den syrischen Intellektuellen Sadik al-Azm klar: In welche Richtung das Land auch gehen werde, eine Zukunft unter Bashar al-Assad sei für Syrien nicht möglich. Die Bevölkerung anerkenne die Herrschaft des alewitischen Machthabers nicht. Jahrelang hätten sich die Spannungen zwischen der Sunna-Mehrheit und den herrschenden Alewiten zugespitzt, sagte der 81-Jährige im „Politischen Salon“, den die „Presse“ gemeinsam mit dem „Institut für die Wissenschaften vom Menschen“ veranstaltet hat.
Seit der Machtübernahme Assads vor 15 Jahren hätten sich Sunniten trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit zunehmend benachteiligt gefühlt – vor 2011 belief sich die alewitische Bevölkerung Schätzungen zufolge auf zwölf Prozent. Mit Ende der US-Besatzung und dem Wechsel zu einer Schia-Führung im schiitischen Irak 2006 sei unter Syriens Sunniten damals eine Forderung laut geworden: Ein Ende der Alewiten-Herrschaft.
Für al-Azm ist der bewaffnete Konflikt im Land daher keinesfalls überraschend. Der aus Damaskus stammende Philosoph wirkte maßgeblich im „Damaszener Frühling“. Die Bewegung führender Intellektueller forderte nach dem Tod des langjährigen Diktators Hafiz al-Assad im Jahr 2000 mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für Syrien ein.
Skepsis zu Friedensgesprächen mit Assad
Al-Azm sieht den seit 2011 schwelenden Konflikt nicht als „Bürgerkrieg“. Nicht die verschiedenen Bevölkerungsgruppen mobilisierten gegeneinander, sondern das System Assad versuche mit allen Mitteln die Opposition niederzuschlagen. Der Radikalismus der Rebellen sei nichts im Vergleich zu dem „Extremismus eines völkermordenden Diktators, der bereit ist, sein eigenes Volk mit Giftgas und Fassbomben zu überschütten“, meint al-Azm.
Durch Assads Repressionen hätten sich auch die friedlichen Proteste des arabischen Frühlings hin zu einer „bewaffneten Intifada“ entwickelt. Al-Azm gliedert das Vorgehen des Regimes in vier Stufen: Als selbst Furcht die Bewegung nicht eindämmen konnte, folgten in einer „Pinochet-Phase“ Massenhaft und Folter. Nach dem Motto „Assad oder niemand“ habe das Regime daraufhin Städte, Dörfer und Felder niedergebrannt. Später sah sich Assad gezwungen Sturmtruppen gegen die Rebellion zu schicken – und mit dem weiterhin ungebrochenen Widerstand griffen ihm unmittelbar aufeinanderfolgend auch die libanesische Hisbollah, Schia-Milizen aus dem Irak, iranische Truppen und letztlich die russische Armee unter die Arme.
Gespräche mit Assad sieht der Syrer skeptisch. Mit dem Diktator müsse man so verhandeln, wie Ex-US-Präsident Bill Clinton mit der jugoslawische Staatschef Slobodan Milošević – er landete vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
>>> Die komplette Diskussion im "Politischen Salon" zum Nachhören.
(maka)