Regierung gestürzt: Euro-Musterknabe vor Ende des Sparkurses

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Die Linksallianz in Portugal lehnte das Regierungsprogramm von Premier Coelho ab - und will nun vier Jahre Austerity rückgängig machen.

Lissabon/Wien. Ausgerechnet Portugal, der Musterschüler der EU-Krisenländer, droht, sich in das neue Enfant terrible der Eurozone zu verwandeln – quasi über Nacht. Denn die gerade erst angelobte, proeuropäische Mitte-rechts-Minderheitsregierung wurde am per Misstrauensvotum gestürzt. An ihrer Stelle will eine kunterbunte Koalition aus Sozialisten, Kommunisten und dem radikalen antieuropäischen Linksblock an die Macht. Mit dem Versprechen, „ein für allemal die schmerzhafte Austerity-Politik der vergangenen Jahre zu beenden“.

Ihren Coup gegen Premier Pedro Passos Coelho landete das Bündnis am Dienstagabend: Die linken Parteien, die im Parlament die Mehrheit habe stimmten  gegen das reformorientierte Regierungsprogramm des Regierungschefs  – und sprachen ihm das Misstrauen auszusprechen. Bei der Wahl Anfang Oktober hatte die seit 2011 regierende Mitte-rechts-Koalition zwar die meisten Stimmen erhalten. Doch ihre 38 Prozent reichten diesmal nicht für die nötige Mehrheit, um den Sparkurs fortzuführen. Am Ende lehnten 123 der 230 Parlamentsabgeordneten das Regierungsprogramm ab.

Machtpoker des Sozialisten Costa

Anführer der linken Rebellen ist Sozialist Antonio Costa, der nun hofft, selbst an die Macht zu kommen. Der Ex-Bürgermeister von Lissabon hat in den vergangenen Wochen Verhandlungen über eine Große Koalition platzen lassen, obwohl sich ein Drittel der Portugiesen diese Regierungsform wünscht. Moderatere Sozialisten werfen dem 75-Jährigen vor, mit seinem Linksruck egoistische Machtpolitik zu betreiben. Für andere Beobachter will Costa verhindern, dass die wachsende Anti-Austerity-Stimmung nur der radikalen Linken zugutekommt.

EU und Internationaler Währungsfonds hatten Portugal 2011 mit einem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket vor dem Bankrott bewahrt. Zwar konnte Portugal 2014 unter dem Rettungsschirm aus EU, EZB und IWF herausschlüpfen und kann sich seitdem wieder selbst auf dem Finanzmarkt finanzieren. Doch dass die Portugiesen die strengen Sparmaßnahmen der vergangenen vier Jahre widerstandslos geschluckt haben, erwies sich als Trugschluss. Steuererhöhungen, Einkommenskürzungen, radikale Streichungen bei Sozialmaßnahmen oder die Lockerung des Kündigungsschutzes haben zwar das wirtschaftlich marode Land wieder auf die Beine gebracht: Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt langsam. Doch die Bevölkerung spürt noch wenig davon: Jeder fünfte Portugiese muss mit dem Mindestlohn von 505 Euro pro Monat auskommen. Und weitere Einschnitte sind notwendig, um den Kredit der Troika zurückzahlen. Und so wächst der Frust gegen „die europäischen Auflagen“ im Stillen. Davon profitieren will nun die Linke: Ihr Programm liest sich wie eine Kopie der radikalen griechischen Syriza-Bewegung: Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre sowie Privatisierungen sollen rückgängig gemacht, Mindestlohn, Pensionen und Sozialausgaben erhöht werden.

Sollte die Linke tatsächlich ihre Pläne umsetzen, drohe dem erst mühsam auf die Beine gekommene Land eine Rückkehr ins Schuldenchaos, befürchten Experten: Immerhin gehört Portugal immer noch zu den am höchsten verschuldeten Ländern des Währungsraumes. Die Staatsverschuldung liegt weiterhin bei 129 Prozent des BIPs. Die Nervosität zeigt sich bereits auf den Finanzmärkten, wo die Renditen auf portugiesische Anleihen zuletzt in die Höhe schossen. Die Angst ist groß, dass sich eine neue Krise in Portugal auch auf den sich nur langsam erholenden Euro auswirken könnte.

Das alles ist Präsidenten Anibal Cavaco Silva bewusst. Und er hat das letzte Wort: Bereits nach der Wahl zögerte der Konservative, Costa den Regierungsauftrag zu geben. Nicht ausgeschlossen ist, dass er nun Coelho mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen und Neuwahlen ausrufen könnte. Das wiederum würde die Linke als Coup interpretieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)

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