Hopmann: Mehr Freiheit könnte Schulen lähmen

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Im Autonomiepaket sei nichts drin, was "per se schädlich" sei, so der Forscher. Die Direktorenzeit auf Probe könnte Veränderungen bremsen.

Bildungsforscher Stefan Hopmann (Uni Wien) hätte sich bei der Bildungsreform "mehr Mut gewünscht, nicht nur punktuell Veränderungen in Bestehendes einzubauen, sondern tatsächlich die Strukturen anzugehen". Statt nur etwas Mitbestimmung bei der Personalauswahl oder der Verfügung über Sachmittel hätte es Möglichkeiten zur Veränderung der Personalstrukturen oder echte Budgetautonomie geben können.

Trotzdem würde jetzt endlich auch darüber gesprochen, "wo Unterricht gemacht wird". Froh zeigte sich Hopmann, dass es den Verhandlern gelungen sei, "das Schulautonomiethema einigermaßen unzertrümmert aufrecht zu erhalten. Da ist jetzt auch nichts drinnen, das per se schädlich wäre".

Lähmen Autonomie und Kontrolle?

Trotzdem könnten die am Dienstag präsentierten Pläne für die Schulautonomie auch gegenteilige Effekte haben. Wenn man im in Österreich traditionell stark reglementierten Bildungssystem jetzt mehr Verantwortung an die Schule überträgt, gleichzeitig aber "die Haltbarkeit der Schulleitungsfunktion begrenzt (ein Direktor soll künftig vorerst für fünf Jahre bestellt werden, Anm.) und neue Kontrollmechanismen einführt", könnte das die Schulen, "die nicht die Strukturen verändern, sondern nur an Stellschrauben drehen können", gewissermaßen lähmen.

Als Schulleiter müsse man sich in dieser Situation gut überlegen, wie viel Risiko man auf sich nimmt. "Weil, ich werde ja haftbar dafür gemacht, wenn nicht rauskommt, was hätte rauskommen sollen", erklärte Hopmann. Aus der vermeintlichen neuen Freiheit könnte daher Zurückhaltung an den Schulstandorten werden. Dass mehr Freiheit zu konformerem Verhalten führen kann, sei zwar auf den ersten Blick paradox, allerdings auch nicht überraschend, erklärte der Wissenschafter, der betonte, niemandem zu unterstellen, "dass das Absicht ist. Es liegt einfach in der Logik von sozialen Systemen."

Nichtentscheidung bei Gesamtschule

Die geplante nicht flächendeckende Einführung von Modellregionen zur gemeinsamen Schule werde vermutlich nicht die gewünschten Erkenntnisse bringen, vermutet Hopmann. Von einer Modellregion auf ein theoretisch flächendeckend eingeführtes Gesamtsystem schließen zu wollen, mache wissenschaftlich wenig Sinn. Der nunmehrige Plan mit der Evaluierung der regionalen Versuche im Jahr 2025 habe eher den Charakter "einer Nichtentscheidung".

Wenn nun ein Teil der AHS-Unterstufen ohne Zustimmung der Eltern in Modellschulen umgewandelt werden, komme es zu einer Verknappung der Gymnasiumsplätze. Menschen, die dem neuen Modell nicht vertrauen, würden dann umso stärker in Richtung Privatschulen (die sich nicht an den Modellregionen beteiligen müssen, Anm.) tendieren. "Der soziale Selektionseffekt wird dadurch nicht nur nicht abgebaut, sondern sogar verschärft", so Hopmann. Abhilfe könnten hier nur Maßnahmen bringen, die Schulen, die in nicht gutem Zustand sind, derart stärken, "dass es keine Fluchtgründe gibt".

"Mehr als erwartet"

"Weniger als erhofft, mehr als erwartet", so fasst Hopmann seinen Gesamteindruck zusammen. Das Grundgerüst des Systems wurde nicht umgebaut und "das spiegelt sich ja auch in der halben Verwaltungsreform wider", so der Forscher. Dass sich allerdings eine aus Politikern bestehende Reformgruppe selbst entmachtet, sei so nicht zu erwarten gewesen.

(APA)

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