Hietzing: Einsatz für ein Stück Wald

(c) Bitzan
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Trotz Protesten soll im Hietzinger Hörndlwald 2016 eine Burn-out-Klinik gebaut werden. Ein daneben liegendes Asylquartier wird dann abgerissen.

Die Wohnanlage ist von einem löchrigen Zaun umgeben. Türen und Fenster der Gebäude sind mit Brettern vernagelt, aber sonst sieht die aus etwa einem Dutzend kleiner miteinander verbundener Häuschen bestehende Anlage noch recht passabel aus – zumindest von außen: Hier, mitten im Hietzinger Hörndlwald, wohnten jahrelang rund 100 Flüchtlinge, vor allem Familien mit Kindern. Ende März 2011 wurde die Anlage geschlossen, die Flüchtlinge woanders hin verlegt. Nach damaligen Angaben des Betreibers, der Volkshilfe, seien die Asylanträge so drastisch zurückgegangen, dass man die Anlage schließen habe müssen.

Viereinhalb Jahre später ist die Situation eine gänzlich andere, jetzt sucht die Stadt Wien verzweifelt nach winterfesten Quartieren für Flüchtlinge. Und manche Anrainer meinen, dass das ehemalige Hietzinger Flüchtlingsheim doch innerhalb weniger Tage renoviert wäre und die Strom- und Kanalanschlüsse rasch reaktiviert werden könnten. Sie fragen sich, warum diese Anlage, die sich mittlerweile in den Händen des Klinikbetreibers pro mente Reha befindet, leer bleiben muss, wenn anderswo gesucht werde.

Flüchtlinge waren einmal. Tatsächlich gab es vor einigen Wochen Gespräche zwischen pro mente und dem für die Koordination von Wiener Asylquartieren zuständigen FSW (Fonds Soziales Wien). Ein FSW-Sprecher sagt: „Ja, das Objekt ist uns bekannt. Es wurde auch schon auf Tauglichkeit für ein Flüchtlingsquartier geprüft, aber derzeit ist mit der Anlage nichts geplant.“

Interessant, dass die Stadt auf halb intakte Flüchtlingshäuser verzichten kann. Doch wenn man sich die Hintergründe ansieht, wird es klarer. Denn die Flüchtlingswohnanlage ist nur ein Teil eines größeren Areals im Hörndlwald, das pro mente übernommen hat – und auf dem Gelände soll eine Burn-out-Klinik errichtet werden. Eine Sprecherin von pro mente meint zu den Gesprächen mit dem FSW: „Ja, es gab eine Prüfung der zu tätigenden Investitionen, die sich ob der Höhe bis zu einem Baubeginn 2016 keinesfalls auszahlen würden.“

Im Klartext heißt das: Während Bezirksvertretung und Bürgerinitiative gegen die Baupläne im Hörndlwald kämpfen, ist hinter den Kulissen offenbar schon längst entschieden, dass 2016 die Klinik gebaut wird. Daher zahle es sich nicht aus, das Flüchtlingsheim zu renovieren. Dieses würde dann voraussichtlich im Zuge der Klinikerrichtung abgerissen, um Platz für Nebeneinrichtungen zu schaffen.

Kurze Rückblende: In den Fünfzigerjahren wurde in Hietzing das Josef-Afritsch-Heim errichtet, das in den kommenden Jahren als internationale sozialistische Begegnungsstätte dienen sollte. Mit wenig Rücksicht auf die Natur, mitten im Hörndlwald, einem großen Grünschutzgebiet nahe der Hermesstraße und des Lainzer Tiergartens. Das Heim wurde von der Volkshilfe als Betreiber übernommen. Diese errichtete Jahre später unmittelbar daneben eine Wohnanlage für Flüchtlinge. Während das Afritsch-Heim in den Achtzigern nicht mehr gebraucht wurde, immer mehr verfiel und 2013 geschleift werden musste, wurden die Flüchtlingshäuser zumindest bis 2011 verwendet und dann stillgelegt.

Bei vielen Hietzingern keimte nach der Schleifung die Hoffnung auf, dass das ganze Gebiet renaturiert werden könnte. Doch der Vorschlag von pro mente, in dem Waldstück eine Burn-out-Klinik zu errichten, war für die Stadt – vor allem finanziell – sehr attraktiv, und sie vergab das Areal an pro mente. Deren Vertreter argumentieren, dass gerade für Burn-out-Patienten dieser ruhige Ort im Grünen zur Genesung das Beste sei.

Viele Anrainer und die Bürgerinitiative „Rettet den Hörndlwald“ sehen das anders. Sie argumentieren, dass es bessere Plätze für die Klinik gebe als hier im Wald (nämlich auf den vielen freien Flächen gleich beim Hietzinger Spital). Sie sagen, dass die Zufahrtswege für den Bau und den späteren Betrieb viel zu klein seien und man grundsätzlich das Gebiet der Natur zurückgeben solle. Um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, organisiert die Initiative Info- und Sportveranstaltungen und regelmäßige Fackelläufe. So auch am heutigen Sonntag.

Bezirksvorsteherin dagegen. Zuletzt haben einige Anrainer auch darauf verwiesen, dass sich doch auch ein teilintaktes Flüchtlingsheim auf dem Areal befinde. In der Hoffnung, durch eine Reaktivierung der Anlage könne man Zeit gewinnen, bis pro mente doch einlenke. Vergeblich. Interessant ist, dass sich in der Causa die ÖVP-Bezirksvorsteherin, Silke Kobald, ungewöhnlich stark hinter die Anliegen der Anrainer stellt. Was bei der letzten Wahl offenbar auch gefruchtet hat, denn Kobald war eine der wenigen VP-Politiker, die in Wien zulegen konnten. Auch die Hietzinger FP steht hinter den Klinikgegnern; SPÖ und Grüne sind dagegen auf Stadtlinie.

Dass die Betreiber im Einvernehmen mit der Stadt die Baupläne vorantreibt, hat sich in den letzten Wochen abgezeichnet. Es gab Probebohrungen; vor Kurzem wurde eine von pro mente initiierte Informationsveranstaltung abgesagt. Diese Woche beginnt das Verfahren für die Bewilligung als Krankenanstalt. Dann stehen die naturschutzrechtlichen und die baurechtlichen Genehmigungsverfahren an. Ganz besonders ärgert sich Kobald darüber, dass die Informationen tröpfeln. So wollte sie anlässlich des krankenanstaltlichen Bewilligungsverfahrens Einsicht in die Akten nehmen. „Die MA 40 hat mir gesagt, dass ich das als Bezirksvorsteherin nicht darf. Stadt und Betreiber wollen offenbar nicht, dass ihnen da jemand hineinschaut“, so Kobald .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2015)

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