Anti-IS-Allianz: Wie Berlin in den Krieg gegen IS eingreifen will

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Die deutsche Bundesregierung plant, 1200 Soldaten nach Syrien zu schicken. Grüne und Linke sind dagegen. In Großbritannien und Spanien gingen Tausende gegen einen Militäreinsatz ihrer Länder auf die Straße.

Berlin/Wien. 1200 Soldaten will die deutsche Bundesregierung im Zug ihrer geplanten Mission nach Syrien schicken: Das hat Generalsinspekteur Volker Wieker in der „Bild am Sonntag“ angekündigt. „Aus militärischer Sicht wird die für den Betrieb der Flugzeuge und Schiffe notwendige Zahl voraussichtlich bei etwa 1200 Soldatinnen und Soldaten liegen“, sagte Wieker. Damit wird die Mission der größte aktuelle Auslandseinsatz der deutschen Bundeswehr. Nach der Grundsatzentscheidung für eine Beteiligung an der Militäroperation arbeitet das deutsche Verteidigungsministerium an den Details.

Am kommenden Dienstag will das Kabinett entscheiden; letztlich hängt die Entsendung vom Parlament ab. Der Einsatzbeginn könne laut Wieker „sehr rasch nach Mandatierung erfolgen“. Die deutsche Regierung strebt ein Mandat noch in diesem Jahr an. Konkret will Deutschland mit Tornado-Aufklärungsjets und einem Kriegsschiff in den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingreifen. Zudem sollen ein Tankflugzeug und Satellitenaufklärung zur Verfügung gestellt werden. Knapp zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris hatte die deutsche Regierung beschlossen, einer entsprechenden Bitte des französischen Präsidenten, François Hollande, nachzukommen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte sich für „ein politisches Zweckbündnis auf Zeit“ ausgesprochen. „Der Kampf gegen Isis muss oberste Priorität haben, für Frankreich ebenso wie für die USA, China, Russland, die Türkei, den Iran, die arabischen Staaten oder uns“, schrieb die Ministerin in einem Gastbeitrag für die Montagsausgabe der „Bild“. „Alle müssen mitmachen, denn Uneinigkeit der Gegner ist auch Grund für die Stärke von Isis.“ Das gemeinsame Ziel müsse sein, „Isis zu schwächen, seinen Bewegungsradius einzuschränken, seine Ausbildungscamps zu zerstören, Stadt für Stadt zurückzuerobern, seine Öleinnahmen zunichte zu machen, seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit zu brechen“, schrieb von der Leyen. Doch die deutschen Oppositionsparteien Linke und Grüne sprechen dem geplanten Bundeswehreinsatz in Syrien die Rechtmäßigkeit ab.

„Nichts aus Afghanistan gelernt“

„Die Teilnahme an diesem Krieg wäre zum jetzigen Zeitpunkt absolut völkerrechtswidrig“, erklärte der Linken-Fraktionsvize Jan Korte am Sonntag in Berlin. „Die Linke wird dem keinesfalls zustimmen.“ Korte warf der Regierung vor, „überhaupt nichts aus dem Debakel in Afghanistan gelernt zu haben. Auch dort war man angetreten, den Terror zu besiegen – passiert ist genau das Gegenteil“. Der Grünen-Außenexperte, Jürgen Trittin, kritisierte ebenfalls die Einsatzplanung der Bundesregierung. „Es liegt bisher keine überzeugende Rechtsgrundlage vor, und es fehlt ein tragfähiges politisches Konzept für die Befriedung Syriens“, sagte er im „Spiegel“.

Auch in Großbritannien gibt es eine Debatte über den Einsatz gegen den IS in Syrien. In dieser Woche soll das britische Parlament über einen Vorstoß von Premierminister David Cameron entscheiden, der Luftangriffe seines Landes absegnen lassen will. Die oppositionelle Labour-Partei ist bei dem Thema gespalten, ihr Parteichef, Jeremy Corbyn, ist dagegen.

Hollande ruft zu Zusammenarbeit auf

Am Wochenende gingen sowohl in London als auch der spanischen Hauptstadt Madrid tausende Menschen gegen einen Militäreinsatz ihrer Länder auf die Straße. „Dies ist ein Konflikt, der nicht durch Bomben gelöst werden kann und wird“, sagte Protestführer Andrew Murray in London.

Nach den Anschlägen von Paris mit 130 Toten ist nach Ansicht der Militäreinsatz-Gegner aber eine Zustimmung des britischen Parlaments wahrscheinlicher geworden. Prominente Persönlichkeiten wie der Musiker Brian Eno und Filmregisseur Ken Loach unterzeichneten einen offenen Brief gegen eine britische Intervention.

In Madrid versammelten sich ebenfalls tausende Demonstranten unter dem Motto „Nein zum Krieg“. Aufgerufen hatte ein von Künstlern gestartetes Bürgerbündnis, das in weniger als einer Woche 34.000 Unterstützer im Internet gegen ein militärisches Vorgehen fand. Spaniens konservativer Regierungschef, Mariano Rajoy, versicherte am Samstag erneut, dass er keine überstürzte Entscheidung treffen würde.

Frankreichs Präsident, François Hollande, der seit den Anschlägen vom 13. November in Paris versucht, die internationale Anti-IS-Koalition auszuweiten und zu stärken, hatte die britischen Parlamentarier am Freitag zur Zustimmung zu den Militärangriffen aufgerufen. „Ich kann nur alle britischen Abgeordneten aufrufen, in Solidarität mit Frankreich, aber vor allem im Bewusstsein für den Kampf gegen den Terrorismus, dieser Intervention zuzustimmen“, sagte Hollande am Rand eines Treffens der Commonwealth-Staatschefs in Malta. Der Präsident begrüßte zugleich die zugesagte deutsche Beteiligung am militärischen Vorgehen gegen den IS. Großbritannien fliegt bereits Militärangriffe gegen den IS im Irak, ist bisher aber nicht an den Luftangriffen der US-geführten Koalition in Syrien beteiligt.

Cameron war 2013 mit seinem Vorstoß für einen britischen Militäreinsatz in Syrien gegen Machthaber Bashar al-Assad zunächst am Widerstand des Parlaments in London gescheitert. (APA, AFP, DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)

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