Hannes Reichelt: In neue Dimensionen vordringen

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SKI-AUDI-FIS-ALPINE-SKI-WORLD-CUP---MEN´S-DOWNHILL(c) APA/ALEXIS BOICHARD/AGENCE ZOOM (ALEXIS BOICHARD/AGENCE ZOOM)
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Hannes Reichelt will den Respekt ablegen und träumt von seinem ersten Abfahrtssieg in Beaver Creek. Der Abtransport nach Düragers Sturz erzürnt den Athletensprecher weiterhin.

Beaver Creek. Wegen der Ski-WM im vergangenen Februar macht der Herren-Skitross diese Woche schon zum dritten Mal innerhalb eines Jahres nun in Beaver Creek, US-Bundesstaat Colorado, Station. Ein Fahrer kehrt stets besonders motiviert auf die berüchtigte Raubvogelpiste zurück. Hannes Reichelt hat inklusive seines WM-Goldes hier bereits viermal den Super-G gewonnen, aber noch nie die Abfahrt. Das soll sich nun auf der Birds-of-Prey-Piste ändern.

In bislang neun Anläufen ist dem Salzburger, 35, mit einem zweiten Platz 2013 nur ein Podestplatz bei der Beaver-Abfahrt gelungen. Siebzehn Hundertstel fehlten ihm damals auf Aksel Lund Svindal; der Norweger gilt abermals als Favorit. „Ich weiß auch nicht, warum es bisher im Super-G so gut und in der Abfahrt gar nicht geklappt hat“, rätselte der Weltmeister über seine Vorstellungen auf der so anspruchsvollen Strecke.

„Elch“ vor dem Zielfernrohr

Beaver Creek, das ist längst Reichelts Lieblingspiste und als der Salzburger Routinier diesmal in das Nobelresort bei Vail zurückkehrte, stattete er gleich der in der ersten Kehre stehenden Adlerskulptur einen Besuch ab. Dort sind alle Sieger verewigt. Seine nächste Erinnerung sei gewesen: „Dass ich beim Sieg vor einem Jahr gedacht habe, warum ist jetzt nicht Februar? Und dann ist alles in Erfüllung gegangen.“

Reichelt war neben Ted Ligety, Bode Miller und Aksel Lund Svindal einer der zuletzt erfolgreichsten Läufer im ehemaligen „Wohnzimmer“ seines Landsmannes Hermann Maier. Als solches will es Reichelt für sich selbst noch nicht in Anspruch nehmen. „Erst wenn ich auch in der Abfahrt schnell bin, können wir darüber reden“, zeigte der Sieger von Klassikern wie Kitzbühel oder Wengen Respekt. Der Österreicher kam aber auch beruhigt nach Colorado. Das Hotel ist dasselbe, mit Matthias Mayer auch der Zimmerkollege der gleiche. „Und aus Lake Louise habe ich davor bisher erst einmal ein gutes Ergebnis mitgebracht“, wurmte ihn sein erneut bescheidenes Abschneiden in Kanada mit den Plätzen 18 (Abfahrt) und elf (Super-G). So gesehen tanze er nicht aus der Reihe . . .

Reichelt ist trotzdem immer froh, wenn es nach Beaver geht. Hier brauche man Köpfchen, das Suchen nach der Optimallinie sei keineswegs einfach. Skifahren in Amerika verlangt also nicht nur starke Muskulatur, sondern auch Routine, Wissen, Know-how. Auch Svindal steht auf die Abfahrt in Beaver Creek, nach seinem Kanada-Doppelsieg ist er der Gejagte. „Viele haben derzeit einen Elch vor dem Zielfernrohr“, weiß Reichelt. „Ich bin einer der Jäger. Aber mehr als die Siege in Kanada haben mich seine Leistung beim WM-Kurz-Comeback beeindruckt“, relativierte der Österreicher.

Kritik an FIS und Veranstalter

Schwer im Magen liegt Reichelt hingegen noch der Transportmarathon des in Kanada verletzten Teamkollegen Markus Dürager. Das Problem werde er als Athletensprecher deshalb beim nächsten FIS-Kongress auf das Tapet bringen. „Ich hätte echt gedacht, dass es nach dem Lanzinger-Unfall besser ist. Das stimmt aber nicht“, kritisierte er die Vorfälle in Kanada. „Wenn bei Dürager eine Compartment-Verletzung vorliegt, haben wir die gleiche Geschichte wie bei Lanzi.“ Matthias Lanzinger musste 2008 ein Unterschenkel abgenommen werden.

Im Weltcup sei zu gewährleisten, dass gestürzte und verletzte Fahrer innerhalb weniger Minuten ins Krankenhaus geflogen werden, fordert Reichelt deshalb. Das gelte auch für Beaver Creek. „Wenn Hans Grugger hier stürzt, lebt er nicht mehr“, ist Reichelt überzeugt. „Wir Fahrer riskieren unser Ding und erwarten im Gegenzug ordentliche Betreuung. Orte, die diese Kriterien nicht erfüllen, sollen deshalb kein Rennen mehr kriegen. So schade es auch wäre.“ (fin)

AUF EINEN BLICK

Der Skiweltcup nimmt am Freitag wieder Fahrt auf. In Beaver Creek wartet die Abfahrt der Herren (18.45 Uhr), die Damen starten ihr Rennen um 20.45 Uhr in Lake Louise.

Hannes Reichelt hat einen Wunsch: Der Salzburger will nach den Klassikern in Kitzbühel und Wengen erstmals auch die Birds-of-Prey-Abfahrt gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

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