Von Falschangaben bei CO2-Werten sind weniger VW-Autos betroffen als angenommen. Indes tagte die fünfte Krisensitzung des Aufsichtsrats seit Ausbruch des Skandals.
Wolfsburg. Während am Mittwoch in Wolfsburg hinter verschlossenen Türen die Krisensitzung des Aufsichtsrats von Volkswagen über die Bühne ging, erreichte die leidgeprüften Aktionäre eine gute Nachricht: Die Falschangaben bei CO2-Werten in Abgasen von VW-Autos betreffen deutlich weniger Autos als zunächst angenommen. Statt 800.000 Fahrzeuge, wie bisher vom Volkswagen-Konzern vermutet, sollen nach erneuter Prüfung durch das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt, das Berliner Verkehrsministerium und VW nur noch höchstens 36.000 betroffen sein.
„Abweichungen wurden in den internen Messungen nur bei neun Modellvarianten festgestellt“, teilte VW am Mittwoch in Wolfsburg mit. Zuvor hatte bereits die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ darüber berichtet. Der Verdacht auf rechtswidrige Veränderungen der Verbrauchsangaben habe sich nicht bestätigt. Den Anlegern gefiel die Nachricht gut, die Vorzugsaktie legte kräftig zu und zählte am Mittwochnachmittag zu den stärksten DAX-Werten. Von ihrem Anfang Oktober eingestellten Zwischentief hat sie sich inzwischen um mehr als 30 Prozent erholt.
Nur eine Facette des Skandals
Um jenen Wert zu erreichen, den sie Mitte September innehatte, bevor der Skandal um manipulierte Stickoxidwerte bei Millionen von Dieselfahrzeugen hochkochte, müsste sie sich allerdings noch einmal um ein Fünftel verteuern.
Auf dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen VW-Werksgelände in Wolfsburg tagte indes die voraussichtlich letzte Krisensitzung des VW-Aufsichtsrats in diesem Jahr. Dabei wurde unter anderem der Stahlmanager Karlheinz Blessing zum neuen Personalvorstand von Volkswagen ernannt.
Es war die fünfte Krisensitzung seit Beginn des Skandals im September. Denn die Falschangaben bei den CO2-Werten sind nur eine Facette des Skandals. Das weitaus größere Problem, die finanziellen und strafrechtlichen Konsequenzen der Manipulationen von Stickoxidwerten bei weltweit mehr als elf Millionen Dieselfahrzeugen aus dem VW-Konzern, ist nach wie vor ungelöst.
Verfahren in San Francisco
Ungeachtet der noch vielen offenen Fragen bei der Aufarbeitung des Abgasskandals rund um den Erdball ist aber nun zumindest klar, wo in den USA die mehr als 500 eingegangenen Klagen gegen den Autobauer verhandelt werden sollen. Ein Justizausschuss in New Orleans entschied am Dienstag, die Fälle im kalifornischen San Francisco zusammenzuführen. Er begründete die Entscheidung damit, dass dort fast ein Fünftel aller Klagen eingereicht worden sei. Wann die Prozesslawine in Gang kommt, ist aber noch völlig offen. Heute, Donnerstag, will Volkswagen in Wolfsburg einen Zwischenstand zur Aufarbeitung des Abgasskandals bekannt geben. Bei einer Pressekonferenz wollen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und Vorstandschef Matthias Müller auch über die Neuausrichtung des Konzerns informieren. Es ist das erste Mal nach Beginn der Krise, dass sich Pötsch und Müller auch Fragen von Journalisten stellen wollen. (ag/b. l.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)