Hofburg-Anwärterin Irmgard Griss warb bei den Blauen um Unterstützung. Die Juristin betonte, dass Nationalstaat und Neutralität wichtig seien, widersprach der FPÖ aber dann doch.
Wien. „Ich komme aus der Weststeiermark, aus Deutschlandsberg.“ Von ihren Anfängen an erzählend stellte sich Präsidentschaftsanwärterin Irmgard Griss am Dienstag im FPÖ-Parlamentsklub vor. Doch die Debatte sollte noch durchwegs ins politische Detail gehen.
Parteichef Heinz-Christian Strache gefiel sich als Gastgeber der Diskussionsrunde, in der die Freiheitlichen feststellen wollten, ob sie die parteiunabhängige Kandidatin Griss unterstützen werden. Er nutzte seine Rolle als Moderator auch gleich, um Griss die Meinung der FPÖ zu verschiedenen Themen zu verdeutlichen. Griss legte ihren Auftritt geschickt an. Sie gab den FPÖ-Mandataren in mehreren Positionen durchwegs recht, um ebendiese dann doch wieder zu hinterfragen. Etwa bei der von der FPÖ hochgehaltenen Neutralität. Ja, diese „war und ist gut und richtig“, sagte Griss. Um dazuzusagen: „Aber die Welt hat sich weitergedreht.“ Und Österreich habe sich auch verpflichtet, an einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der EU mitzuwirken.
Immer wieder erzählt Griss anhand von Anekdoten von ihren Standpunkten. So habe ein Bürger sie gerügt, weil sie angeblich die Neutralität abschaffen wolle. „Damit sind Sie dafür, dass das Gesindel zu uns kommt“, habe der Mann gemeint. Man sehe, man müsse besser bewusst machen, was Neutralität eigentlich bedeute, so Griss.Wenn jemand Österreich angreifen wolle, werde es zur Abwehr ja nicht reichen, einfach auf die Neutralität zu verweisen.
Auch zum Thema EU – deren Entwicklung die FPÖ kritisch gegenübersteht – hat Griss eine Geschichte parat. Bei der Weihnachtsfeier eines ihrer Patenkinder habe jeder erzählen müssen, was Weihnachten bedeute. Während viele Kinder von Geschenken sprachen, habe ein Kind gesagt: „Weihnachten ist, was wir daraus machen.“ Und so sei es auch mit der EU, es läge an uns, was wir daraus machen. Ob sie den Nationalstaat für überholt erachte, fragt Strache. Griss beruhigt. „Wir leben in einem Europa, in dem der Nationalstaat gerade wieder an Bedeutung gewinnt.“ Strache schaut erfreut.
Gerade bei Sicherheitsfragen habe der Staat eine wichtige Bedeutung, sagt Griss, die aber auch betont, dass sich viele Themen sehr wohl am besten auf EU-Ebene lösen lassen: „Ich bin überzeugt, dass Europa eine gute Sache ist“, meint die Juristin.
Für mehr Persönlichkeitswahl
Ob sie für den Ausbau der direkten Demokratie sei, wird Griss gefragt. Ja. Vor allem liege ihr ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht am Herzen. Dann würden die Mandatare auch anders agieren, weniger auf Parteivorgaben schauen. Überhaupt solle man an der Schule das Fach „Kritisches Denken“ einführen, sagt Griss. Damit man lerne, politische Themen oder Medienberichte kritisch zu hinterfragen.
Nun wird es philosophisch. „Ich halte ,kritisches Denken‘ für einen Pleonasmus“, sagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und schaltet sich in die Debatte ein. „Für mich ist Denken per se kritisch“, meint der einstige Philosophiestudent. Hatte Strache sich als netter Gastgeber präsentiert, geht Kickl Griss härter an. Wie sie zu den Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei stehe, will er wissen. „Und gehört der Islam zu Österreich?“
„Ich kann mit dem Ausspruch ,Der Islam gehört zu Österreich‘ wenig anfangen“, sagt Griss. „Meine Überzeugung ist, dass Muslime, die die österreichischen Werte anerkennen, zu Österreich gehören“, ergänzt sie. Bezüglich eines EU-Beitritts der Türkei müsse man sich anschauen, ob es dort einen Modernisierungsschub gebe.
Auch wenn sie um einen guten Ton zum blauen Auditorium bemüht ist, scheut sich Griss aber auch nicht, in einigen Punkten Gegenpositionen zu beziehen. Etwa, als sie vom Abgeordneten Walter Rosenkranz gefragt wird, ob sie es für erstrebenswert hält, dass Homosexuelle Kinder adoptieren. Es gehe um eine gute Verbindung der Eltern zum Kind. „Und ich glaube nicht, dass diese Verbindung vom Geschlecht abhängig ist.“
Auch zu ihrer Kritik an der Wortwahl mancher FPÖ-Aussagen steht Griss auf Nachfrage. „Ich finde es nicht richtig, dass es zu einer Radikalisierung kommt und Gräben in der Gesellschaft entstehen“, sagt sie. Und sie zeigt – im Gegensatz zu Strache – Sympathien für Doppelstaatsbürgerschaften.
Schengen und Südtirol
Nichts hält Griss dafür von der Idee, das Wahlrecht für den Nationalrat auch an Ausländer zu vergeben. Auch, dass sie klar gegen das Aufkeimen von Parallelgesellschaften und für eine Begnadigung der Südtiroler Freiheitskämpfer eintritt, wird im FPÖ-Klub mit Wohlwollen aufgenommen. Aber auch dieses nationale Thema verknüpft Griss wieder mit einem proeuropäischen. „Ganz besonders positiv habe ich an Schengen gefunden, dass Sie, wenn Sie von Nord- nach Südtirol fahren, die Grenze nicht merken. Gott sei Dank!“
Die FPÖ will im Jänner entscheiden, ob sie Griss unterstützt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2015)