Urteil: Die gestürzten Fußballbosse

Als die Fußballwelt noch in Ordnung war. Nun setzten die Ethikrichter dem Treiben von Blatter (l.) und Platini ein Ende.
Als die Fußballwelt noch in Ordnung war. Nun setzten die Ethikrichter dem Treiben von Blatter (l.) und Platini ein Ende.(c) REUTERS (ARND WIEGMANN)
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Mit Fifa-Präsident Joseph Blatter und Uefa-Chef Michel Platini wurden die beiden mächtigsten Fußballfunktionäre für jeweils acht Jahre gesperrt. Beide kündigten Einspruch an.

Zürich. Die Tage von Joseph Blatter und Michel Platini im Weltfußball sind gezählt. Die Fifa-Ethikkommission verhängte gegen den Präsidenten des Weltverbandes und gegen den Uefa-Chef eine Sperre von jeweils acht Jahren. Eine dubiose Zahlung von zwei Millionen Franken aus dem Jahr 2011 beurteilten die Richter als Verstoß gegen das Ethikreglement. Das Urteil setzt Blatters 17-jähriger Ära an der Spitze des Weltverbandes ein unrühmliches Ende und beendet Platinis Hoffnungen, am 26. Februar 2016 der nächste Fifa-Präsident zu werden.

Doch der ohnehin seit 8. Oktober für 90 Tagte suspendierte Blatter kämpft weiterhin erbittert um Rehabilitierung. Eine Stunde nach der Urteilsverkündung trat der Schweizer auf dem Zürcher Sonnenberg aufgewühlt vor die Presse und kündigte an, bei der dafür zuständigen Stelle des Verbands sowie dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) umgehend gegen die Sperre vorzugehen. In vier Sprachen und mit gewohnt bizarrer Rhetorik ließ der 79-Jährige kein gutes Haar an der Entscheidung der Ethikrichter. Er sprach von „einer Schande“, betonte seine Verdienste, forderte Menschenrechte für sich ein und schweifte dazwischen immer wieder ab.

„Acht Jahre, für was?“

Die Zahlung an Platini sei nach Schweizer Recht völlig sauber gewesen, beteuerte Blatter. Der Uefa-Chef hatte im Jahr 2011 von Blatter zwei Millionen Schweizer Franken erhalten, angeblich für Beratertätigkeiten zwischen 1998 und 2002. Zum Zeitpunkt der Zahlung stritt Blatter aber gerade um seine Wiederwahl für das Fifa-Präsidentenamt und benötigte die Stimmen der Uefa – mit Platini an der Spitze.

Sowohl Blatter als auch Platini erklärten, dem Geldtransfer liege ein mündlicher Vertrag zugrunde. Die Kommission habe diese Übereinkunft geleugnet, meinte Blatter. „Ich wurde für acht Jahre suspendiert, für was? Ich habe niemals mit Geld betrogen. Man stellt Platini und mich als Lügner hin.“ Außerdem: „Dem Fifa-Präsidenten zu verbieten, ein Stadion zu betreten, ist falsch, das geht gar nicht.“

Die Ethikrichter um den deutschen Hans-Joachim Eckert hat die angebliche mündliche Übereinkunft zwischen Blatter und Platini jedenfalls nicht überzeugt. Die Fifa-Staatsanwaltschaft hat sogar lebenslänglich für beide Funktionäre gefordert. Die Beweise hätten aber nicht für den Nachweis von Bestechung und Korruption (Artikel 21) gereicht, heißt es in der Urteilsbegründung der Ethikrichter. Allerdings wird sowohl Blatter als auch Platini vorgeworfen, ihr Amt missbraucht zu haben. Die rechtsprechende Kammer sah Verstöße gegen die Artikel 20 (Angebot oder Annahme von Geschenken oder anderen Vorteilen), 19 (Interessenkonflikt), 15 (Loyalität) und 13 (Allgemeine Verhaltensregeln) des Fifa-Ethik-Codes.

Blatter hatte bereits zahlreiche Affären rund um den Weltverband unbeschadet überstanden. Bereits seine Wahl zum Präsidenten 1998 war skandalumwittert. Stets begleitete ihn der Verdacht, die Korruptionskultur in der Fifa zu seinem eigenen Vorteil zu dulden. Erst nachdem die Schweizer Behörden und die US-Justiz den größten Skandal in der Fifa-Geschichte im Mai mit der Verhaftung zahlreiche Spitzenfunktionäre in Zürich ins Rollen gebracht hatten, wurde der Druck auf Blatter zu groß. Er kündigte seinen Rücktritt an.

Im Februar wollte er noch als scheidender Präsident den Fifa-Kongress leiten, um sich nach über 40 Jahren im Dienst des Verbandes unter tosendem Applaus der Mitglieder zu verabschieden. Das Urteil hat zwar seinen glanzvollen Abgang verhindert, sein Abschied stand aber bereits fest.

Ungewohnte Einigkeit

Für Platini ist die Sache komplizierter. Ein halbes Jahr vor seiner Heim-EM in Frankreich liegt die Funktionärskarriere des Franzosen in Schutt und Asche. Der 60-Jährige wollte Blatters Nachfolge an der Spitze des Weltverbandes antreten. Nach der Sperre durch die Kommission ist die Fifa-Präsidentschaft außer Reichweite.

Der ehemalige Spitzenfußballer bezeichnete seine Sperre als „echte Maskerade“ und erklärte, mit seinem Gewissen im Reinen zu sein. Wie Blatter will auch Platini vor den CAS ziehen und erwägt zudem den Gang vor zivile Gerichte, „um Schadenersatz für all die Vorverurteilungen, die ich erdulden musste, zu erhalten“. Der Rückendeckung seines Verbandes darf sich Platini gewiss sein. „Die Uefa unterstützt Michel Platinis Recht auf ein ordentliches Verfahren und die Möglichkeit, seinen Namen reinzuwaschen“, hieß es aus Nyon.

Das Verhältnis zwischen Blatter und Platini galt schon seit Längerem als zerrüttet. Die beiden können sich nicht leiden, auch wenn sie immer wieder Zweckbündnisse eingegangen sind. Was den Richtspruch der Ethikkommission angeht, sind sich Blatter und Platini allerdings einig. Sie sehen darin ein abgekartetes Spiel. „Dieses Urteil ist nur ein pathetischer Vorwand für den Wunsch, mich aus der Welt des Fußballs zu eliminieren“, erklärte Platini. Und Blatter sieht sich ohnehin um sein Lebenswerk betrogen. Er kündigte an: „Es ist noch nicht zu Ende. Ich komme wieder.“

Auf einen Blick.

Joseph Blatter und Michel Platini sind von der rechtsprechenden Kammer der Ethikkommission der Fifa für acht Jahre gesperrt worden. Damit ahndet das Gremium die Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken von Fifa-Präsident Blatter an Uefa-Chef Platini aus dem Jahr 2011. Beide kündigten umgehend an, vor Gericht gegen die Sperre zu berufen. Platini wollte Blatter als Fifa-Präsident beerben, mit der Sperre muss er seine Kandidatur wohl abhaken.

Chronologie

27. Mai: Festnahmen

Zwei Tage vor der Wiederwahl von Joseph Blatter als Fifa-Präsident nimmt die Schweizer Polizei mehrere Funktionäre fest. Die USA berichten von Ermittlungen gegen ehemalige Spitzenfunktionäre und Geschäftsleute. Die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnet ein Strafverfahren wegen der umstrittenen Vergaben der Weltmeisterschaften an Russland 2018 und Katar 2022.

2. Juni: Ankündigung

Blatter kündigt seinen Abschied als Fifa-Präsident an. Sein Nachfolger soll auf einem außerordentlichen Fifa-Kongress am 26. Februar 2016 gewählt werden.

29. Juli: Kandidatur

Uefa-Präsident Michel Platini erklärt seine Kandidatur für das Amt des Fifa-Präsidenten.

25. September: Honorar

Die Schweizer Justiz eröffnet ein Strafverfahren gegen Blatter wegen eines fragwürdigen Deals mit Platini aus dem Jahr 2011. Blatter wird am Verbandssitz vernommen, sein Büro durchsucht. Platini wird als Auskunftsperson befragt. Laut Blatter und Platini handelte es sich um eine verspätete Honorarzahlung für Platinis Fifa-Arbeit in den Jahren 1998 bis 2002. Das Image der Verbände leidet weiter.

8. Oktober: Sperre

Die Ethikkommission sperrt Blatter und Platini vorläufig für 90 Tage.

18. November: Ablehnung

Die Berufungskommission lehnt die Einsprüche von Blatter und Platini gegen ihre 90-Tage-Suspendierungen ab.

20. November: Antrag

Platini ruft den Internationalen Sportgerichtshof CAS an und verlangt eine vorläufige Aufhebung seiner Suspendierung. Er kämpft um sein Antreten bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten.

23. November: Verfahren

Die Fifa-Ethikkommission eröffnet offiziell ein Verfahren gegen Blatter und Platini. Lebenslange Sperren sind im Gespräch.

6. Dezember: Spekulation

Eine französische Zeitung berichtet von einem internen Uefa-Report, der auf einen Vertrag Platinis über Tätigkeiten für die Fifa hindeuten könnte. Sein Anwalt sieht darin einen entlastenden Beweis.

11. Dezember: Bestätigung

Der CAS bestätigt die 90-Tage-Sperre für Platini. Die provisorische Suspendierung darf aber nicht verlängert werden.

17. Dezember: Anhörung

Blatter sagt vor der rechtsprechenden Kammer der Fifa-Ethikkommission aus. Platini erscheint am Tag darauf wie angekündigt nicht zur Anhörung der Ethikhüter. Er fühlt sich vorverurteilt. Seine Anwälte verlangen einen Freispruch.

21. Dezember: Urteile

Die Ethikkommission verkündet Sperren von acht Jahren gegen Blatter und Platini. Beide sind damit von sämtlichen Aktivitäten im Fußball ausgeschlossen. Blatter kündigte umgehend an, gegen das Urteil zu berufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2015)

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