Pröll gegen Hundstorfer gegen Van der Bellen gegen Griss: Es gab schon schlechtere politische Unterhaltungsprogramme. Wenn es denn so kommt.
Der Bundespräsidentenwahl kommt dieses Mal eine Bedeutung zu, die der realen nicht ganz entspricht. Zum einen ist es die einzige bundesweit relevante Wahl im nächsten Jahr. Zum anderen sind die Medien, also auch wir, schon etwas erschöpft von der Flüchtlingskrise und sehnen sich nach Abwechslung.
Und dann verspricht auch das Kandidaten-Setting einiges an Spannung: Erwin Pröll, das Alphatier der ÖVP. Rudolf Hundstorfer, der Mann für alle Bälle der SPÖ. Alexander Van der Bellen, der Übervater der Grünen. Irmgard Griss, die bürgerlich-liberale Anti-Establishment-Kandidatin, die als ehemalige OGH-Präsidentin natürlich Teil des Establishments ist. Der potenzielle FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, der Dritte Nationalratspräsident, fällt da fast schon ein wenig ab.
Fix ist nichts. Außer Griss. Erwin Pröll, vielfach erprobter Wahlkämpfer mit herbem Charme, wäre jedenfalls der Favorit. Erst recht in einer Stichwahl gegen Hundstorfer. Gegen Van der Bellen wäre das schon schwieriger: Dieser hätte die grünen, roten und pinken Stimmen sicher. Selbst etliche Schwarze würden wohl dessen professorale Art dem Poltergeist aus St. Pölten vorziehen. Und auch bei den Freiheitlichen stieße Pröll als Symbolfigur der (rot-)schwarzen Machtpolitik, der zudem die Freiheitlichen in seinem Land nie sonderlich gut behandelt hat, auf Skepsis. Das gilt vor allem für die Parteikader. Bei freiheitlichen Wählern hingegen, jenen, die ein Faible für einen „starken Mann“ mit eher autoritärem Politikverständnis haben, dürfte das wohl anders sein.
Van der Bellen wiederum hätte das Problem, dass Irmgard Griss in einem ähnlichen Teich fischt wie er, dem rechts- bis linksliberalen Biotop. Aber er kennt das ja schon. Es erinnert ein wenig an die Neunzigerjahre: Damals war Van der Bellen als Grünen-Chef mit dem LIF konfrontiert (und schnupfte es auf). Nun steht er der von den Neos unterstützten Irmgard Griss gegenüber.
Letztere ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn man in Österreich aus eigenem Antrieb den Kopf hinausstreckt: Man ist gleich um diesen kürzer. Zum Teil dieselben Leute, die Griss nach der Präsentation ihres Hypo-Berichts noch überschwänglich gelobt – und sie wahrscheinlich erst auf die Idee gebracht haben, eine Kandidatur für das höchste Amt im Staate anzustreben – verwenden nun jeden Halbsatz, den sie sagt, gegen sie. Die Regierung von außen kritisieren – wunderbar! Aber wehe, jemand strebt selbst danach, eine aktive Rolle in der Politik zu spielen und diese vielleicht auch neu zu definieren – der ist umgehend suspekt.
Die Bundespräsidentenwahl verspricht jedenfalls ein passables Unterhaltungsprogramm für die kommenden Monate zu werden. Allerdings eines mit durchaus ernst zu nehmenden Kandidaten. Das Jobprofil erfüllen alle bisher Genannten: Der Bundespräsident soll eine moralische Instanz sein, Österreich im Ausland bestmöglich repräsentieren, erfahren sein, mit den Gesetzen, insbesondere mit der Verfassung, vertraut, und in der Lage, etwaige politische Krisen zu lösen. Das alles kann man diesen möglichen Bewerbern zutrauen.
Natürlich wird auch nun wieder eine Debatte über den Sinn des Präsidentenamtes einsetzen. Worin liegt also dieser Sinn? Der Bundespräsident ist eine Art Back-up für schwierige Situationen. Ein Kompass und eine Repräsentationsfigur für den Alltag. Ein Türöffner für die Wirtschaft, vor allem in Ländern, in denen erwartet wird, dass zuerst ein Staatsoberhaupt durch die Tür marschiert, durch die dann die Unternehmer hindurchschlüpfen können.
Der Präsident ist ein wesentlicher Faktor in der Machtbalance. Europa ist mit diesem Dualismus in der Machtverteilung immer ganz gut gefahren: erst das System aus Kaiser/König auf der einen und dem Papst auf der anderen Seite, dann jenes aus Ministerpräsident und Staatsoberhaupt. Und es ist ja auch noch kein anderes Land auf die Idee gekommen, daran etwas zu ändern. Aus guten Gründen, wie es scheint.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2015)