Soko Ost: Polizei-Sondereinsatz mit Hindernissen

(c) Die Presse (Fabry Clemens)
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Wettlauf in der Regierung: Statt 1000 soll es nun 2000 Exekutivbeamte zusätzlich geben. Warum trotz Soko Ost und Personalaufstockung längst nicht alles eitel Wonne ist. Werden mit den Maßnahmen die Probleme der steigenden Kriminalität gelöst?

WIEN. Die Bundesregierung ist angesichts der steigenden Zahl an Kriminalität und Einbrüchen getrieben: Nur einen Tag nach der Ankündigung einer Sonderkommission Ost (Soko Ost) für den Kampf gegen Einbrecher durch Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) wartete am Dienstag Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zur Beruhigung der Bevölkerung mit der nächsten Maßnahme auf. Anders als im Koalitionspakt vorgesehen, wird die Exekutive bis zum Jahr 2013 um 2000 statt der bisher geplanten 1000 Polizisten aufgestockt. Dieses neue Personalpaket soll bis zum Herbst fixiert sein.

Faymann ist zwar nicht gegen die Soko Ost. Aber, so meinte der Regierungschef mit einem Seitenhieb auf die Innenministerin: „Das löst das Problem nicht“, weil Polizisten überall fehlen. Tatsächlich wehren sich immer mehr Landespolitiker dagegen, dass Polizisten aus den Bundesländern zum Sondereinsatz nach Wien abkommandiert werden.

Werden aber mit den nun vorgesehenen Maßnahmen die Probleme der steigenden Kriminalität gelöst? „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen:

1. Bringt eine Aufstockung der Exekutive eine rasche Abhilfe?

Nein. Diese zusätzlichen Polizisten müssen erst aufgenommen und in Polizeischulen ausgebildet werden. Diese Ausbildung dauert zumindest 21 Monate. Deswegen ist im Koalitionspakt schon die Erhöhung um 1000 Polizisten erst bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode 2013 fixiert. Bei 2000 Polizisten geht das auch nicht schneller.

2. Wie viele Polizisten gibt es derzeit in Österreich?

Laut Auskunft des Innenministeriums von gestern, Dienstag, stehen 26.295 Polizisten im Dienst. Wobei freilich nicht alle im Außendienst und somit in der Kriminalitätsbekämpfung tätig sind.

3. Warum wurde die Soko Ost gegründet?

Seit Beginn 2009 ist die Polizei vor allem im Großraum Wien mit einer ausufernden Einbruchskriminalität konfrontiert. Im März dieses Jahres schrillten erstmals die Alarmglocken: Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Wien stieg in den ersten zwei Monaten 2009 um 28 Prozent gegenüber 2008 (ein Plus von 402 Fällen). Bei den Einbrüchen in Einfamilienhäuser gab es in den ersten beiden Monaten 2009 eine Zunahme von mehr als 60 Prozent (+ 202 Fälle).

In der aktuellsten verfügbaren Statistik, die den Zeitraum von 1.Jänner bis 31. Mai umfasst, schnellte in Wien – im Vergleich zu Jänner bis Mai des Vorjahres – der Einbruch in Häuser um nicht weniger als 70 Prozent in die Höhe. Die 200 Polizisten der Soko Ost sollen jetzt durch sichtbare Schwerpunktaktionen und Strukturermittlungen im Hintergrund für einen Rückgang der Delikte und für eine bessere Aufklärungsquote in diesem Bereich sorgen.

4. Woher kommen die Beamten für die Sonderkommission?

Die Sonderkommission wird sich aus Polizisten aus dem Burgenland (90 Beamte), aus Niederösterreich (60), Oberösterreich (20), Kärnten und der Steiermark (jeweils 15) zusammensetzen. Freiwillige Meldungen dürfte es nicht viele geben. Die Polizisten können aber dennoch gegen ihren Willen drei Monate von ihren Stammdienststellen einem anderen Bereich dienstzugeteilt werden.

5. Warum ist Wien als Einsatzort so unbeliebt?

Der Dienst in einer Millionenstadt ist nicht mit dem Arbeitsaufkommen einer Polizeiinspektion in einem ländlichen Umfeld zu vergleichen. Viele Polizisten aus den Bundesländern kennen Wien nur von „Assistenzeinsätzen“ bei Großdemonstrationen. Dass sie dort von Randalierern mit Eiern beworfen, beschimpft oder angespuckt wurden, bleibt ihnen lange in negativer Erinnerung.

6. Warum gibt es so heftigen Widerstand gegen die Soko?

In den Bundesländern regt sich zunächst einmal politischer Widerstand (siehe auch Seite2): Der Abzug von Polizisten, vor allem aus den Grenzgebieten Niederösterreichs und des Burgenlandes, führt nur zu einem begrenzten Verständnis in der Bevölkerung. Der Einsatz einer Sonderkommission, die – vorerst – nur auf drei Monate ausgelegt ist, sorgt hingegen polizeiintern für Kopfschütteln. Bevor sich die neuen Soko-Beamten, die nicht alle ausgewiesene Spezialisten auf dem Gebiet der Einbruchsbekämpfung sind, eingearbeitet haben, werden sie auch schon wieder in ihr Bundesland zurückgeschickt. Zudem bedürfen die von der Innenministerin geforderten Strukturermittlungen besonderer Kenntnis und Routine. In Polizeiforen im Internet berichten außerdem zahlreiche Polizisten, die vor wenigen Tagen von ihrer „Zwangsbeglückung“ erfahren haben, über ihren Unmut. Manche von ihnen mussten ihre Sommerurlaube stornieren. Die Motivation dieser Beamten, in der fremden Großstadt auf Einbrecherjagd zu gehen, wird sich in Grenzen halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2009)

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