Jobmarkt: Was die Deutschen besser machen

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Die gute Konjunktur sorgt in Deutschland für Rekordbeschäftigung und niedrige Arbeitslosigkeit. In Österreich dürften dagegen schon bald 500.000 Menschen auf Jobsuche sein.

Wien. Die Deutschen haben Grund zum Jubeln. Die gute Konjunktur sorgt in unserem Nachbarland für eine Rekordbeschäftigung. Wie das Statistische Bundesamt am gestrigen Montag mitteilte, waren im Vorjahr durchschnittlich 43 Millionen Frauen und Männer in Deutschland erwerbstätig. Das sind 324.000 mehr als ein Jahr zuvor. Gleichzeitig sank die Zahl der Arbeitslosen auf den niedrigsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung.

Kritiker behaupten, dass der Beschäftigungsrekord in Deutschland mit den vielen Minijobs zusammenhängt. Doch das stimmt nicht. Während sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erhöht hat, war die Zahl der sogenannten Ein-Euro-Jobs weiter rückläufig. Laut Angaben der deutschen Arbeitsagentur erweist sich auch die Betreuung von Flüchtlingen als Jobmotor. So gab es zuletzt eine starke Nachfrage nach sozialen Fachkräften, Deutschlehrern sowie Wach- und Sicherheitspersonal.

Starker Anstieg in Wien

In Österreich dagegen läuft die Entwicklung anders. Wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Montag bekannt gab, waren Ende Dezember 475.435 Menschen ohne Arbeit. Das sind um 4,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition kletterte um 0,4 Prozentpunkte auf 10,6 Prozent.

Am stärksten zugenommen hat die Arbeitslosigkeit bei Ausländern (plus 12,6 Prozent), bei Arbeitnehmern ab 50 Jahren (plus 9,9 Prozent) und bei Menschen mit besonderen Bedürfnissen (9,3 Prozent). Auch nahm die Arbeitslosenrate von Frauen stärker zu als jene von Männern. Ursache dafür ist die besonders hohe Arbeitslosigkeit im Dienstleistungssektor, wo viele Frauen beschäftigt sind.

Alarmierend ist die Lage in Wien. Dort stieg die Zahl der als arbeitslos vorgemerkten Personen um 12,5 Prozent auf 143.501.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich heuer und im nächsten Jahr weiter steigen wird. Schon im Jänner 2016 dürfte die 500.000-Marke erreicht werden. Die Gründe dafür sind die starke Zuwanderung (vorwiegend aus den neuen osteuropäischen EU-Ländern), das steigende Arbeitsangebot der Frauen und die Einschnitte bei der Frühpension.

Mehr arbeitslose Flüchtlinge

Auch die Flüchtlinge machen sich zusehends auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Derzeit gibt es in Österreich rund 21.000 arbeitslose Flüchtlinge, das sind um 7000 mehr als vor einem Jahr. Heuer dürften laut Schätzungen des Arbeitsmarktservice (AMS) 30.000 bis 35.000 hinzukommen.

Doch warum schneidet Österreich so viel schlechter ab als Deutschland? Die Firmen in Österreich klagen über zu viel Bürokratie, zu viele Auflagen (wie jetzt die Registrierkassen) und zu hohe Lohnnebenkosten. Laut Statistik Austria wurden im Jahr 2004 in Österreich 6,775 Milliarden Arbeitsstunden geleistet. Zehn Jahre später ist das Arbeitsvolumen nur um ein Prozent gestiegen (siehe Grafik). In Deutschland dagegen gab es ein Plus von sechs Prozent.

Bemerkenswert ist die Entwicklung seit dem Jahr 2011. Während in Österreich das Arbeitsvolumen sinkt, steigt der Wert in Deutschland. „Würden die geleisteten Arbeitsstunden in Vollzeitjobs umgerechnet, träte eines klar zutage: In Österreich gehen jedes Jahr Jobs verloren – ganz im Gegensatz zu Deutschland“, kommentiert die Denkfabrik Agenda Austria diesen Trend. In Deutschland habe die Regierung in den vergangenen Jahren viele Reformen eingeleitet. „Neben der umstrittenen Arbeitsmarktreform hat Deutschland mitten in der Krise mit einer Schuldenbremse seinen Haushalt konsolidiert“, so die Agenda Austria. Österreichs größte Wachstumsbremse sei die fehlende Zuversicht: „Den Menschen fehlt ein klares Signal, dass sich dieses Land nach vorn bewegt.“

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl verlangte am Montag erneut einen „Belastungsstopp für die Wirtschaft und unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen“. Dazu gehören Investitionsanreize, Stützen des Wachstums und Konsums sowie überfällige Reformen und ein Bürokratieabbau. Die Industriellenvereinigung wiederum fordert modernere und flexiblere Arbeitszeitregelungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2016)

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