Das Wifo kann sich nach der Krise höhere Öko- und Vermögenssteuern vorstellen.
Wien. Dass die Chefs der beiden großen Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes einmal einer Meinung wären, kommt in etwa so häufig vor wie eine gemeinsame Grillparty von Fidel Castro und Warren Buffett. Karl Aiginger, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), und Bernhard Felderer, sein Gegenüber vom Institut für Höhere Studien (IHS), krachen vor allem in wirtschaftspolitischen Fragen immer wieder aneinander.
Auch in der von Felderer angestoßenen Debatte über eine temporäre Anhebung der Mehrwertsteuer wird die Öffentlichkeit nicht enttäuscht. Aiginger sieht in Felderers Vorstoß vor allem einmal die „falsche Debatte zur falschen Zeit“. So sei die gesenkte Lohnsteuer noch nicht einmal wirksam, und schon werde wieder über höhere Steuern diskutiert. Damit werde der Reformdruck geschwächt und der früher oder später kommende Aufschwung abgewürgt, wie Aiginger gegenüber der „Presse“ meint. Vor allem der private Konsum würde dadurch geschwächt.
Felderer hält eine derartige Steuererhöhung allerdings für unvermeidbar. Der Staat werde nach überwundener Krise und beschlossenen Ausgabenkürzungen keine andere Wahl haben, als Massensteuern zu erhöhen. Andernfalls seien eine Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen und ein Abbau der rasant wachsenden Schulden nicht zu machen, wie Felderer in einem „Presse“-Interview (Donnerstagausgabe) meinte.
Wifo: Höhere MöSt denkbar
Infrage komme nach Ansicht des IHS-Chefs nur eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, weil niemand an einer Anhebung der Lohnsteuer und damit an einer Verteuerung der Arbeit interessiert sein könne. Und eine andere Massensteuer gebe es schließlich nicht. Die Wiedereinführung von Vermögenssteuern sei zwar politisch denkbar, allerdings würde diese viel zu wenig einbringen.
Nach Ansicht Aigingers müsse Österreich erst einmal die Wirtschaftskrise bewältigen und dann die Ausgaben des Staates reduzieren (etwa in der Verwaltung) – falls dann noch immer ein Loch im Staatshaushalt klaffe, könne man auch über höhere Steuern nachdenken. „Aber selbst dann wäre eine höhere Mehrwertsteuer für uns nicht prioritär“, so Aiginger. Vielmehr plädiere das Wifo in diesem Fall für eine ökologische Steuerreform, etwa über eine Anhebung der Mineralölsteuer.
Zudem hat das Wifo mehrfach ein „Gesamtkonzept“ eingefordert, das neben höheren Ökosteuern auch eine Anhebung der Vermögenssteuern beinhalten soll. Damit könnten in weiterer Folge vor allem die Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich reduziert werden, so das Wifo.
Eine Entlastung der Bürger ist derzeit allerdings in weite Ferne gerückt. Die Staatsschulden werden nach Prognose des Finanzministeriums bis 2013 von derzeit 165 Milliarden Euro auf 240 Milliarden Euro anschwellen. Das entspricht einem Schuldenstand von knapp 80 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Allein die Zinsenlast wird bis dahin von jährlich sieben Milliarden Euro auf knapp elf Milliarden steigen.
IHS: Schulden müssen sinken
Laut Felderer müsse Österreich nach der Krise die Verschuldung wieder unter die Marke von 60 Prozent des BIP drücken. Simulationsrechnungen hätten gezeigt, dass Länder mit höheren Schulden schnell in Zahlungsschwierigkeiten kommen können, wenn die Zinsen steigen. Für einen derartigen Schuldenabbau seien Ausgabenkürzungen unabdingbar, das alleine werde aber nicht reichen.
Aiginger wiederum verweist darauf, dass andere Länder ihre überschuldeten Haushalte sehr wohl ohne signifikante Steuererhöhungen saniert hätten. Etwa Schweden, Belgien und Irland.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)