Handel: China drängt auf freien Marktzugang

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Die EU-Kommission erörtert heute die Frage, ob Importe aus der Volksrepublik gleich behandelt werden sollen wie Einfuhren aus den USA oder Japan – noch ist es nämlich nicht so weit.

Brüssel. Wenn am heutigen Mittwoch das Kollegium der EU-Kommission zu seiner wöchentlichen Sitzung zusammenkommt, wird es nicht nur um die europapolitische causa prima Polen gehen, sondern auch um ein weiteres brisantes Thema: den Status der chinesischen Volkswirtschaft. Die Mitglieder der Brüsseler Behörde werden nämlich erstmals darüber sprechen, ob die Volksrepublik fünfzehn Jahre nach ihrem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO als vollwertige Marktwirtschaft anerkannt werden soll, wie es Peking seit Jahren fordert.

Schutz vor Dumping

Die Frage ist nicht nur akademischer Natur, sondern hat handfeste Folgen für die Wirtschaftsbeziehungen. So lange China nämlich nicht als vollwertige Marktwirtschaft gilt, können chinesische Exporte in die EU, die von den Europäern als Dumping eingestuft werden, leichter mit Schutz- bzw. Strafzöllen belegt werden – vereinfacht ausgedrückt geht es darum, welche Preisniveaus zur Berechnung eines „fairen“ chinesischen Exportpreises herangezogen werden. Derzeit gilt beispielsweise für chinesische Solarpaneele ein Mindestpreis in der EU, da Brüssel die Preispolitik der chinesischen Hersteller 2013 als unfair eingestuft hat – diese Strafmaßnahmen wurden im Dezember um ein weiteres Jahr verlängert.

Peking argumentiert, die beim WTO-Beitritt 2001 vereinbarten Übergangsregeln würden mit Dezember 2016 auslaufen – chinesische Exporteure müssten dann in Europa gleich behandelt werden wie ihre Konkurrenten aus den USA oder Japan. Handelsjuristen sind in dieser Frage ebenso tief gespalten wie die EU-Mitglieder: Während Großbritannien und Deutschland die Anpassung befürworten, sind jene Länder, die mit China stärker im Wettbewerb stehen, strikt dagegen – und verweisen auf den Einfluss der chinesischen Regierung auf die Wirtschaft. Auch die USA warnen davor, Peking zu weit entgegenzukommen. Der Washingtoner Thinktank EPI kam in einer im September veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft die EU 1,7 bis 3,5 Millionen Arbeitsplätze kosten würde, weil die an industriellen Überkapazitäten leidende Volksrepublik Europa mit billigen Produkten geradezu überschwemmen würde.

Europäisches Nullsummenspiel

Die Tatsache, dass die Chinesen vor allem in London und Berlin wohlgelitten sind, kommt für Guy de Jonquières nicht von ungefähr. Der Experte der Brüsseler Ideenschmiede ECIPE hat das Verhältnis zwischen China und der EU untersucht und kommt in einer soeben veröffentlichten Analyse zum Schluss, dass dieses Verhältnis von Kurzsichtigkeit dominiert und zuungunsten der Europäer tariert sei – weil Peking zusehends geschickter darin sei, die EU-Mitglieder, die an chinesischem Kapital und Marktzugang interessiert sind, gegeneinander auszuspielen. Der Wettlauf um Chinas Gunst ist nach Ansicht von de Jonquières ein Nullsummenspiel, bei dem die EU als Ganzes verliert – dabei werde chinesisches Kapital „so oder so nach Europa kommen“, weil die Volksrepublik diversifizieren müsse und nach wie vor auf westliches Hightech angewiesen sei.

Der ECIPE-Forscher glaubt nicht, dass das Vorenthalten des Marktwirtschaft-Status China zum Umdenken bringen könne – Peking würde dann nämlich versuchen, den Status vor dem WTO-Schiedsgericht zu erkämpfen. Eine bessere Chance, um Gegendruck aufzubauen, bieten demnach die laufenden Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen.

Gegen einen Durchbruch in den europäisch-chinesischen Beziehungen sprechen allerdings zwei Entwicklungen: Erstens hat die EU mit ihren zahlreichen Krisen alle Hände voll zu tun und ist momentan vor allem mit sich selbst beschäftigt. Und zweitens droht der chinesischen Wirtschaft eine harte Landung. Sollten sich die Befürchtungen der Pessimisten bewahrheiten – wofür auch die jüngsten Turbulenzen an den chinesischen Börsen sprechen –, hätte die Führung in Peking noch mehr Interesse als bisher daran, ihre Überproduktion nach Europa zu exportieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

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