Italien plant Angriffe auf IS in Libyen

Attacke auf die Ölindustrie. Erst am Wochenende griffen IS-Einheiten die Erdölanlagen in Ras Lanuf an.
Attacke auf die Ölindustrie. Erst am Wochenende griffen IS-Einheiten die Erdölanlagen in Ras Lanuf an.(c) APA/AFP/STRINGER (STRINGER)
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Der Islamische Staat baut die libysche Küstenstadt Sirte zur neuen Hochburg aus. Italiens Regierung ist laut einem internen Papier zu einer Militäraktion bereit.

Im internationalen Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) könnte bald eine neue Front eröffnet werden: Laut mehreren Medienberichten werden von Washington bis Rom derzeit intensive Vorbereitungen für Angriffe auf IS-Stellungen in Libyen getroffen, wo sich die Extremisten zuletzt rasant ausgebreitet haben. Federführend bei dieser militärischen Operation soll Italien sein, berichtete am Montag die Tageszeitung „La Repubblica“: „Wir sind bereit, militärisch in Libyen zu intervenieren, falls das notwendig ist“, zitiert die Zeitung aus einem italienischen Regierungsdokument. Angedacht seien Luftangriffe. Vorerst will man aber abwarten, bis in Libyen die neue Einheitsregierung im Amt ist: Rom setzt darauf, dass diese den Westen um „militärische Hilfe“ beim Kampf gegen die Jihadisten bitten werde.

Beratungen mit Verbündeten

Doch angesichts der schwierigen Regierungsbildung – gestern verweigerte das international anerkannte Parlament in der Stadt Tobruk erneut der Einheitsregierung die Zustimmung – dürfte es bereits einen Plan B geben: Im Raum stehe auch eine Intervention ohne Segen aus Libyen, schrieb vor einigen Tagen der „Messaggero“: In Rom berate man derzeit intensiv mit möglichen Alliierten in Paris, London, Berlin und Moskau. Das bestätigte ein europäischer Militärexperte gegenüber der „Presse“. Rom hofft, grünes Licht des UN-Sicherheitsrates zu erhalten: Ein Einsatz würde „gemeinsam mit unseren Alliierten und im Rahmen von UN-Resolutionen“ stattfinden, heißt es.

Angedacht wird zudem, Bodentruppen im Rahmen einer UN-Friedensmission zu schicken. Rom soll die Mission leiten.

Hinter den Planspielen stecken vermutlich die USA, die sich eine führende Rolle der Europäer in Libyen wünschen. „Jede Aktion der USA ist mit uns abgesprochen“, zitiert „La Repubblica“ aus dem Geheimdokument. In den USA werden die Rufe nach einer Intervention lauter. Vergangene Woche sagte Joseph F. Dunford, Chef des US-Generalstabs, eine Entscheidung könnte in den nächsten Wochen fallen. Laut „New York Times“ befinden sich bereits britische und US-Spezialeinheiten im nordafrikanischen Land, um Angriffsziele zu identifizieren. Vergangene Woche reiste Dunford nach Europa: Libyen war Hauptthema bei seinem Treffen mit britischen, französischen und italienischen Kollegen.

Die Ausbreitung des IS in Libyen hat im Westen zuletzt immer größere Besorgnis hervorgerufen. Nach dem Sturz des Langzeitdiktators Muammar al-Gaddafi 2011 wurde Libyen von Rebellenmilizen und einflussreichen Städten kontrolliert. Zunächst hielt das fragile Gleichgewicht zwischen den neuen mächtigen Playern. Doch im Juli 2014 führten die Rivalitäten zum Beginn eines neuen Bürgerkriegs.

Im allgemeinen Chaos in Libyen konnten sich jihadistische Gruppen wie die mit al-Qaida verbündete Ansar al-Sharia oder der IS breit machen. Im Herbst 2014 schlossen sich zunächst Extremisten in der ostlibyschen Stadt Derna dem IS an. Im Februar 2015 marschierte dann der IS in der Hafenstadt Sirte ein. Gaddafis Geburtsstadt war 2011 der letzte Rückzugsort des Diktators gewesen. Seine Bewohner wurden im neuen Libyen als „Gaddafi-Verbündete“ beschimpft. Ausgerechnet der IS versprach nun den Anhängern des einst säkularen Gaddafi-Regimes in Sirte, sie zu rehabilitieren. Und viele stiegen zunächst auf das Angebot ein.

Neue IS-Rückzugsbasis Sirte

Mittlerweile dürfte der IS im Gebiet um Sirte mehrere tausend Kämpfer stationiert haben. Er kontrolliert rund um Sirte ein etwa 240 Kilometer langes Gebiet entlang der Küste, das im Osten bis zur Stadt Bin Jawad reicht. Experten befürchten, dass Sirte zunehmend zu einer wichtigen Rückszugsbasis des IS werden könnte, der derzeit in Syrien und im Irak militärisch unter Druck gerät.

Italien jedenfalls versucht seit Monaten, eine Führungsrolle in Libyen einzunehmen. Immer wieder machte sich Rom für eine Militärintervention stark, im Dezember fand in Rom eine hochkarätig besetzte Libyen-Konferenz statt.

Wirtschaftliche Interessen

Hinter Italiens Libyen-Engagement steckt freilich auch Eigeninteresse: Libyen und Sizilien trennen nur 600 Kilometer Meer. Italien will daher schon aufgrund seiner geografischen Position Libyen stabilisieren: Zudem verbinden Italien mit seiner Ex-Kolonie auch enge wirtschaftliche Kontakte. Das Energieunternehmen Eni ist der größte Auslandsinvestor im Land. Und Rom möchte durch seine Libyen-Diplomatie sein fehlendes Engagement in Syrien ausgleichen, wo es nicht an der internationalen Anti-IS-Koalition teilnimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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