Gipfel in Moskau: Russischer Härtetest für Obama

Obama bei letzten Besprechungen.
Obama bei letzten Besprechungen.(c) AP (Alex Brandon)
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Von Nato-Erweiterung über Raketenabwehr bis zu Iran-Sanktionen: Moskau sagt „njet“. Washington möchte einen Keil zwischen Präsident Medwedjew und Premier Putin treiben.

Moskau dürfte Barack Obama einen kühleren Empfang bereiten, als er es von seinen überschwänglich gefeierten Europa-Besuchen gewohnt ist: In Russland steht dem US-Präsidenten in diesen Tagen der erste außenpolitische Härtetest bevor.

In Washington macht man sich trotz aller diplomatischer Rhetorik auch keine Illusionen über die Hürden für den viel beschworenen Neuanfang in den Beziehungen, die am Ende der Ära Bush arg strapaziert waren. „Die USA werden als Gegner betrachtet“, konstatierte ein hoher Obama-Berater. Und der Russland-Experte Strobe Talbott analysiert: „Wir sind in der Phase ,Zurück in die Zukunft‘.“

Bei einer Reihe von Konfliktthemen, von der Raketenabwehr bis zu Russlands Hegemoniestreben, will der US-Präsident eine Annäherung erreichen – aber nicht um jeden Preis. Im Vorfeld der heute beginnenden Visite ließ er mit dem Appell aufhorchen, die Mentalität des Kalten Krieges hinter sich zu lassen. Die Kritik war auf Premier Wladimir Putin gemünzt, der „mit einem Fuß“ in der alten Zeit stehe. In der Hoffnung auf eine Emanzipation des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew verfolgt Obama die Strategie, einen Keil zwischen Putin und seinen Protegé zu treiben. Mit einem Interview in der von Repressionen geplagten Zeitung „Nowaja Gaseta“ setzte Obama zudem ein demokratiepolitisches Signal.

Werben um Moskaus Nachbarn

Obwohl Obama die Nato-Ambitionen der Ukraine und Georgiens sowie die Installierung eines nuklearen Schutzschilds in Mittelosteuropa viel weniger forciert als George W. Bush, prallen die Interessen der USA und Russlands hier am stärksten aufeinander. Demnächst wird Vizepräsident Joe Biden nach Kiew und Tiflis reisen, um den beiden vom Kreml bedrängten Ländern die Solidarität Washingtons zuzusichern.

In der Frage des Raketenabwehrsystems bieten die USA Russland eine Einbindung an. Ein Junktim zwischen der Abrüstung von Atomsprengköpfen und einem Verzicht auf die Stationierung des Schutzschirms, wie Moskau fordert, lehnen die USA ab. Die Einigung auf Abrüstung wäre an sich noch der leichteste Part.

Abrüstung: Raketenabwehr als Stolperstein

Ein Dokument, das Leitlinien für einen neuen Vertrag über strategische Abrüstungsschritte festlegt, ist das wichtigste Papier, das die Präsidenten Medwedjew und Obama in Moskau verabschieden werden. Am 5. Dezember läuft der erste Vertrag über die Reduzierung strategischer Atomwaffen (Start-I) von 1991 aus, bis dann wollen sich Russland und die USA auf ein Folgeabkommen über weitere Abrüstungsschritte im Nuklearbereich einigen. Darin anvisierte Obergrenzen: 1500 bis 1700 Kernsprengköpfe und 1100 Trägersysteme für jede Seite.

Die Sache wird dadurch kompliziert, dass die Russen in einem neuen Vertrag nicht nur Abrüstungsschritte bei den strategischen Waffen festgeschrieben, sondern auch die Frage von Raketenabwehrsystemen geregelt haben wollen. Das zielt gegen die in Polen und Tschechien geplante US-Raketenabwehr, die Moskau gegen sein Nukleararsenal gerichtet sieht. Möglicher Ausweg: Russen und Amerikaner gehen daran, gemeinsam ein Raketenabwehrsystem zu entwickeln – mit Komponenten auf russischem Territorium.


Einflusssphären: Moskau zieh eine rote Linie

Früher sprach Russland etwas verschämt vom „Nahen Ausland“, neuerdings spricht Moskau offen über seine ureigenste Einflusssphäre in der postsowjetischen Staatenwelt. Die drei baltischen Staaten sind seit 2004 Nato-Staaten, was Moskau nicht davon abhält, sie ständig zu piesacken. Die zentralasiatischen Republiken konnte Moskau zuletzt wieder fester an sich binden, Armenien ist ein treuer Verbündeter, Aserbaidschan und Belarus versuchen eigene Wege zu gehen, ohne den Bruch mit Moskau zu riskieren.

Das Problem sind die Ukraine und Georgien, die in die Nato drängen – was für Moskau das Überschreiten einer roten Linie darstellt. Georgien ist inzwischen Moskaus Lieblingsfeind, und mit dem prowestlichen ukrainischen Präsidenten Juschtschenko befindet sich Moskau im Dauerclinch.

Die neue US-Regierung von Obama hat zwar Tempo und Druck, um Georgien und die Ukraine in die Nato zu bringen, deutlich verringert. Aber auch sie hat bisher eindeutig signalisiert, dass sie eine russische Einflusssphäre im postsowjetischen Raum keineswegs akzeptieren werde.

Iran/Nordkorea: "Ziehen nicht an einem Strang"

Im Frühjahr hat US-Präsident Obama den Kreml in einem Brief aufgefordert, Druck auf den Iran auszuüben, sein umstrittenes Atomprogramm aufzugeben. Doch Russland zeigte Obama die kalte Schulter. Stattdessen hat es die Kontakte zu Teheran ausgebaut. Unmittelbar nach der umstrittenen Wahl reiste der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad zu einem Gipfeltreffen ins russische Jekaterinburg, wo Russlands Präsident Medwedjew kein Wort der Kritik verlauten ließ. Sanktionen gegen den Iran bezeichnete er als kontraproduktiv. In der UNO schert Russland daher auch aus der Ablehnungsfront aus. „Iran ist euer Problem, nicht unseres“, heißt es in Moskau. „Iran ist nicht Nordkorea, und Russland ist nicht China“, sagt der Politologe Dmitrij Trenin.

Für Russland ist der Iran das strategisch wichtige Tor zum Nahen Osten. Die beiden Länder verbinden langjährige Handelsbeziehungen. Russland hat sich sogar einmal angeboten, das Uran für das iranische Nuklearprojekt anzureichern. „Wir ziehen beim Iran nicht an einem Strang“, resümierte James Collins, ein früherer US-Botschafter in Moskau, nüchtern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2009)

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