Die Regierung in Ankara ruft zu einem gemeinsamen Bodeneinsatz im Bürgerkriegsland auf. Syriens Machthaber, Bashar al-Assad, kann sich nicht vorstellen, dass schon bald die Waffen schweigen werden.
Ankara/Beirut/Damaskus. In Syrien stehen die Zeichen weiterhin auf militärische Eskalation. Die türkische Regierung forderte am Dienstag den Einsatz von Bodentruppen in dem benachbarten Bürgerkriegsland. Daran sollten alle Staaten der Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) teilnehmen, sagte ein türkischer Regierungsvertreter vor Journalisten. Ein Alleingang der türkischen Streitkräfte sei jedoch nicht geplant.
Zuletzt hatte auch Saudiarabien einen Bodeneinsatz in Syrien gefordert. Einigen Meldungen zufolge sollen bereits saudische Kampfflugzeuge in die Türkei verlegt worden sein. Offiziell wollen Ankara und das Königshaus in der saudischen Hauptstadt, Riad, mit Soldaten in Syrien den IS bekämpfen. De facto geht es aber darum, mit Bodentruppen vor Ort ein Gleichgewicht zu dem syrisch-russischen Militärbündnis herzustellen, das zu einem Wiedererstarken des Regimes des Machthabers Bashar al-Assad geführt hat.
Derzeit rücken die syrischen Regimetruppen mit massiver russischer Luftunterstützung auf die nordsyrische Stadt Aleppo vor. Damit geraten die Rebelleneinheiten in Bedrängnis, die von der türkischen und der saudischen Regierung unterstützt werden. Dem will man in Ankara und Riad gegensteuern. Die USA haben eine groß angelegte, gemeinsame Bodenoffensive in Syrien ausgeschlossen. US-Verteidigungsminister Ashton Carter bat aber Ende vergangener Woche Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate um die Entsendung von Elitetruppen, falls diese in einer Schlacht um die IS-Hauptstadt Raqqa benötigt würden. Riad erklärte sich dazu grundsätzlich bereit.
„Kampf gegen Terror hat Priorität“
Eine massive Präsenz saudischer und türkischer Bodentruppen in Syrien würde die Gefahr einer direkten Konfrontation mit russischen Einheiten erhöhen. Vor allem dann, wenn etwa die türkische Armee sich so positionieren sollte, dass sie einem weiteren Vorstoß der syrischen Regimetruppen in Richtung Norden im Wege steht.
Syriens Präsident Assad stellte unterdessen klar, dass er sich eine baldige Waffenruhe nicht vorstellen könne. Bei den Gesprächen über Syrien in München vergangene Woche sprachen sich die Teilnehmer – darunter die Außenminister der USA und Russlands – für eine Waffenruhe binnen einer Woche aus. Es sei in dieser Zeit nur schwer möglich, die nötigen Bedingungen dafür herzustellen, sagte Assad nun im syrischen Fernsehen. Eine Waffenruhe bedeute nicht, dass alle Seiten den Einsatz von Waffen beenden müssten. „Eine Verlegung von Waffen, Ausrüstung oder Terroristen oder die Befestigung von Stellungen werden nicht zugelassen“, stellte der syrische Machthaber klar. Für ihn habe die „Bekämpfung des Terrorismus“ jetzt und in Zukunft Priorität.
Unter „Terroristen“ fallen im Sprachgebrauch des Regimes nicht nur Jihadisten wie der IS oder die al-Nusra-Front, sondern alle bewaffneten Aufständischen – also eigentlich auch die, mit denen nun die Waffenruhe vereinbart werden sollte. (Reuters/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2016)