"Bestellfunk": Faymann-Solo im ORF sorgt für Eklat

Austrian Vice Chancellor Mitterlehner addresses a news conference after a cabinet meeting in Vienna
Austrian Vice Chancellor Mitterlehner addresses a news conference after a cabinet meeting in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Vizekanzler Mitterlehner übt scharfe Kritik am ORF. Für TV-Chefredakteur Dittlbacher ist das Faymann-Interview "sowohl legitim als auch journalistisch notwendig".

Der Solo-Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Talk-Reihe "Im Zentrum" sorgt weiter für Aufregung. Der ORF widmet sein Diskussionsformat am Sonntag ausschließlich einem Interview mit dem Kanzler. Thema ist die Flüchtlingskrise. In der "Zeit im Bild 2" kam es deshalb am Mittwoch zu einem Eklat: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nannte den ORF vor laufender Kamera "Bestellfunk".

Mitterlehner: "Wünsche mir dasselbe"

"Wenn schon der Herr Bundeskanzler eine ganze Sendung hat, seine Linie zu erklären, geben Sie mir auch die Zeit. Das ist doch Bestellfernsehen. Ich wünsche mir dasselbe, was der Herr Bundeskanzler wünscht. Ich wünsche mir, dass der ORF reagiert", sagte der Vizekanzler im Gespräch mit "ZiB 2"-Moderator Tarek Leitner.

Zuvor hatte bereits ÖVP-Klubomann Reinhold Lopatka schwere Geschütze gegen den öffentlich-rechtlichen Sender und seinen Generaldirektor Alexander Wrabetz aufgefahren. "Der ORF gehört gestoppt, das widerspricht völlig dem ORF-Gesetz. Wrabetz hat seine Karriere als Wahlkampfhelfer von Josef Cap begonnen, wenn er jetzt glaubt, sie als Wahlkampfhelfer von Faymann beenden zu müssen, dann schadet er dem Unternehmen", meinte Lopatka in den Tageszeitungen "Der Standard" und "Kurier". Das "Bestellfernsehen" der SPÖ müsse ein Ende haben, "Herr Wrabetz hat bis Sonntag Zeit, seine Schlüsse zu ziehen", so Lopatka.

"Legitim und journalistisch notwendig"

"Die Einladung in ORF-Sendungen sind journalistische Entscheidungen und diese werden ausschließlich von den Journalistinnen und Journalisten des ORF getroffen", erklärte ORF-Fernsehchefredakteur Fritz Dittlbacher am Donnerstag gegenüber der APA. "Einladungen können angenommen oder abgelehnt werden, was ja öfter einmal vorkommt. Sie können aber auf keinen Fall von der Politik eingefordert werden." Zum aktuellen Fall meinte Dittlbacher, dass es "sowohl legitim als auch journalistisch notwendig" sei, den Bundeskanzler zur Position Österreichs in der Flüchtlingspolitik zu befragen. "Es geht hier um ein gewaltiges europäisches Problem und nicht um heimische Innenpolitik. In der aktuellen Situation, zwischen zwei so entscheidenden EU-Gipfeln, den Bundeskanzler nicht einzuladen, wäre ein journalistischer Fehler", so der TV-Chefredakteur.

Die öffentlich-rechtliche ARD habe laut Dittlbacher zuletzt "bewiesen, wie aufschlussreich eine solche Konzentration auf einen Gesprächspartner sein kann: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Anne Will war beispielhafte Aufklärung. Österreichs Bundeskanzler bei Ingrid Thurnher wird genauso informativ, interessant und aufklärerisch werden". Unterstützung bekam der ORF-Chefredakteur auch von Fernsehdirektorin Kathrin Zechner. Sie trete für Professionalität, Klarheit und angemessene Äquidistanz ein. "Die Entscheidung, wer in welchem Format zu welchem Thema eingeladen wird, treffen einzig und allein die unabhängigen Journalistinnen und Journalisten der Fernseh-Information", erklärte Zechner.

"Seltsames Medienverständnis der ÖVP"

Kritik am "ZiB 2"-Auftritte Mitterlehners kam am Donnerstag vom Vorsitzenden des ORF-Redakteursrats Dieter Bornemann. "Es ist ein seltsames Medienverständnis der ÖVP, wenn Vizekanzler Mitterlehner als Gast in der 'ZiB 2' das angebliche 'Bestellfernsehen' des ORF kritisiert und im selben Atemzug sagt: 'Ich wünsche mir das auch!'. Wir entscheiden nach journalistischen Kriterien und nicht nach Befindlichkeiten der Politiker", so Bornemann, der im übrigen darauf hinwies, dass es eine Entscheidung der Redaktion gewesen sei, die Regierungschef zu "Im Zentrum" einzuladen. "Wäre das Interview wirklich ein Wunsch des Bundeskanzlers oder des Generaldirektors gewesen, dann hätte es von der Redakteursvertretung einen sehr lauten Protest gegeben." Die Empörung der Parteien sei "heuchlerisch und leicht durchschaubar: Es geht den Politikern nicht um das Programm oder die Zuschauer, sondern nur darum, möglichst viel im ORF vorzukommen", sagte Bornemann.

NEOS: "Autonomie des ORF respektieren"

Die politische Auseinandersetzung über den Faymann-Auftritt - neben der ÖVP kritisierten zuletzt auch FPÖ und Grüne die Entscheidung - kommt für ORF-Chef Wrabetz zur Unzeit. Der Generaldirektor stellt sich im Sommer der Wiederwahl im ORF-Stiftungsrat, in dem der ÖVP-"Freundeskreis" derzeit eine knappe relative Mehrheit hält. Unterstützung für die ORF-Linie kam am Donnerstag lediglich von den NEOS. "Parteipolitik hat redaktionelle Arbeit nicht zu kommentieren. Die Autonomie des ORF ist zu respektieren", erklärte NEOS-Mediensprecher Niko Alm in einer Aussendung. Für Alm zeige der aktuelle Fall, dass eine "gremiale Neuordnung des ORF, die den parteipolitischen Einfluss minimiert, dringend geboten wäre".

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(APA)

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Kommentare

Faymann hat eine Schlacht gewonnen, nicht den ORF-Krieg

Der Bundeskanzler also allein in einer Diskussionssendung.

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