Warum die Vorstadtweiber (bisher) funktionierten

Die Kerntruppe der „Vorstadtweiber“: Gerti Drassl, Adina Vetter, Martina Ebm, Maria Köstlinger und Nina Proll (v. l.).
Die Kerntruppe der „Vorstadtweiber“: Gerti Drassl, Adina Vetter, Martina Ebm, Maria Köstlinger und Nina Proll (v. l.).(c) ORF (Thomas Ramstorfer)
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Die "Vorstadtweiber" kehren am Montag zurück. Die Quoten der ersten Staffel waren überraschend gut, die Kritiken weniger. Der Erfolg der Serie erklärt sich leicht: ein bekannter Stoff, beliebte Schauspieler und "Unterleibsringelpiez".

Sie könnten gelassen sein, die Darstellerinnen und Darsteller der „Vorstadtweiber“. Sind sie aber nicht. In einem der vielen Interviews, die die unzähligen Serienbeteiligten vor dem Start der zweiten Staffel am Montag (ORF eins, 20.15 Uhr) geben mussten, mokierten sich Maria Köstlinger und Nina Proll über die „Feuilletonisten“, die den Erfolg der Serie nicht verstehen würden. Kritik daran sei „ja auch nicht nett“, jenen „Menschen gegenüber, die die ,Vorstadtweiber‘ anschauen“. Das waren im vergangenen Jahr bei der ersten Staffel tatsächlich viele. Mit 28 Prozent durchschnittlichem Marktanteil und 857.000 Sehern pro Folge war die Serie ein Quotenhit für den ORF. Es soll sogar schon „Vorstadtweiber“-Partys an Montagabenden geben. Auch in Deutschland, wo sie ab Mai in der ARD zu sehen war, sahen die Serie im Schnitt vier Millionen Menschen.

Und doch ist eine kleine Kulturdebatte ausgebrochen, in der mit üblichen Schablonen argumentiert wird. Für die „FAZ“ war „Österreichs ,Desperate Housewives‘-Aufguss“ insgesamt „uninspiriert runtergespielte Flachware aus dem Klischeebaukasten“, der „ganze Unterleibsringelpiez schrecklich öde“. Die „Süddeutsche“ urteilte trocken: „Statt Wiener Schmäh gibt es flache Witze.“ Nur der „Spiegel“ zog positiv Bilanz am Ende der ersten Staffel – die Serie sei „der Triumph eines Humors, der sich um Subtilität und feministische Korrektheit nicht schert“. Und die Beteiligten? Reagierten mit Schmollmund und dem öden Ausruf „Diese Feuilletonisten!“, anstatt sich über beides zu freuen: die Millionenquote und die pfeffrigen Kritiken, die amüsant zu lesen sind.

Auch wenn uns Golden-Globe-geschmückte Serienware aus aller Welt seit Jahren beweist, dass Unterhaltung und Massengeschmack zusammengehen können, dass auch intelligente Dialoge und fein gezeichnete Charaktere Millionen vor die Fernseh- oder Computerbildschirme locken, gilt im deutschsprachigen Raum offenbar immer noch ein Gesetz: Was die Masse interessiert, muss flach sein.

Kein Original. Moment, wollen wir da sagen – und zunächst an frühere Serienerfolge des ORF erinnern. Der heute zu Recht als Kult gelobte „Echte Wiener“, der nicht untergeht, wurde 1975 bei seiner Erstausstrahlung wegen der derben Sprache massiv kritisiert, und auch der fast zwanzig Jahre später erschienene „Kaisermühlenblues“ hatte nicht ausschließlich Fans. Die Dialoge waren auch hier nicht immer brillant und intelligent, gaben aber ziemlich genau wieder, wie Herr und Frau Österreicher lebten und dachten. Zudem waren diese beiden Serien aus der Feder von Ernst Hinterberger österreichische Originalware, weshalb sie auch so schnell zum Publikumshit wurden. Das ist bei den „Vorstadtweibern“ anders. Sie sind gewollter Abklatsch der US-Serie „Desperate Housewives“. Aber das ist vielleicht sogar eines der Geheimnisse der Serie. Viele haben das US-Vorbild gesehen, die artifizielle Wisteria Lane war dann aber doch zu weit weg vom eigenen Leben. Die Wiener Vorstadt ist da schon näher. Egal, ob man sich als Teil der abgebildeten Gesellschaft sieht oder über die „G'spritzen“ und „G'stopften“ vordergründig lacht und sie hinterrücks beneidet.

In einer Sache muss man den Kritikern recht geben: Subtiler Witz ist (bis auf Ausnahmen) nicht die Stärke dieser Serie. Hier wird mit Klischees gearbeitet, so sehr, dass einem das Abdrehen in der ersten Staffel oft aufgedrängt wurde. Dass die Serie trotzdem funktioniert, liegt vor allem an den Schauspielern. Es sind sehr viele, und es sind einige Publikumslieblinge darunter, denen man mitunter verzeiht, nicht in jeder Szene das Beste zu geben. Wer einmal das ohnehin nicht so schwer zu durchschauende Beziehungsdurcheinander verstanden hat, will wissen, wie es weitergeht. Zudem gibt es hier niemanden, den man ins Herz schließen kann, im Grunde sind alle Figuren selbstgerechte Arschlöcher, denen man gern beim Stolpern und Scheitern zusieht. Und das steht hier nur in dieser Deutlichkeit, weil solche Kraftausdrücke auch in der Serie fallen. Erfolgreich ist die Serie schließlich auch, das liegt auf der Hand, wegen der freizügigen Art, über Sex zu sprechen.

Um diesen „Unterleibsringelpiez“ geht es gleich zu Beginn der neuen Staffel. Die Eheleute Caro (Martina Ebm) und Hadrian Melzer (Bernhard Schir) sitzen bei der Sexualtherapeutin (eine von mehreren neuen Figuren, die Abwechslung versprechen, gespielt von Nicole Beutler). Hadrian empört sich über die unstillbare Lust seiner Frau: „Man kann doch auch einfach einmal einen Abend fernsehen.“ Sie: „Ja, vor dem Sex.“ Als sie es gleich in der Therapiestunde mit ihm machen will, sagt er: „Hör auf, ich kann nicht zweimal hintereinander.“ Dumm nur, wenn die Ehefrau beim ersten Mal nicht anwesend war.

Sonst hat sich in der Döblinger Vorstadt seit dem Ende der ersten Staffel vor einem Jahr nicht viel geändert: Die fünf Vorstadtweiber sind – bis auf Nicola (Nina Proll) – aus dem Gefängnis draußen, aber zerstritten. Und ja, das Brimborium um Trennungen, Betrügereien, Schwanger- und Erbschaften ist noch immer vorhersehbar, aber offenbar so menschlich, dass es zieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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