Fleisch und sein Geschlecht

Hühner werden in Österreich meist vor der Geschlechtsreife geschlachtet.
Hühner werden in Österreich meist vor der Geschlechtsreife geschlachtet.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ob wir Weibchen oder Männchen essen, hat nicht nur mit dem Geschmack zu tun.

Beim Schweinefleisch ist es bekannt, dass ein Eber nicht gerade zu den Delikatessen zählt. Und auch beim Rind weiß man, dass das Weibchen für die Milchwirtschaft und der Ochse für die Mast eingesetzt werden. Sonst sind zwar oft einzelne Fleischteile bekannt, ob es sich dabei um das Fleisch eines weiblichen oder männlichen Tieres handelt, geht meist unter. Wobei das nicht immer ganz irrelevant ist.

Bei Masthühnern macht es – mit Ausnahme von Spezialitäten wie dem Kapaun (siehe oben) – hingegen keinen Unterschied, ob es sich um Männchen oder Weibchen handelt. Eine Kastration ist allein deshalb nicht notwendig, weil konventionelle Masthühner weit vor ihrer Geschlechtsreife geschlachtet werden. Dank der immer effizienter werdenden Züchtungen ist ein Huhn nämlich schon nach rund 35 Tagen schlachtreif.

Anders ist das natürlich bei Legehühnern. Dass dabei die männlichen Küken gleich nach dem Schlüpfen getötet werden, ist bekannt – und wird immer mehr kritisiert. Da es sich um speziell auf die Legeleistung gezüchtete Rassen handelt, sind diese Küken für den Mastbetrieb nicht rentabel. Weil das beim Konsumenten aber doch ein ungutes Gefühl verursacht, ist die Branche derzeit bemüht, einen anderen Weg zu finden. Im Bio-Bereich werden die männlichen Küken separat neun bis zwölf Wochen aufgezogen und etwa zu Bio-Wurst verarbeitet. „Im Bio-Bereich kann man das machen, das sind kritischere Konsumenten. Für die Masse ist das aber nicht wirtschaftlich“, sagt Michael Wurzer, Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft (ZAG). Er sieht deshalb die Zukunft in der Früherkennung durch Infrarottechnik, bei der schon im Ei das Geschlecht festgestellt werden kann, und dann eben dieses vernichtet wird, bevor der Hühnerembryo ein Schmerzempfinden entwickelt. Für Wurzer ist das vor allem aus ethischen Gründen der richtige Weg. Gemeinsam mit Kollegen in Deutschland wird derzeit intensiv daran geforscht. Wurzer nimmt übrigens den Tierschutz sehr ernst und ist froh darüber, dass das Kapaunisieren in Österreich verboten ist.

Ebergeruch. Bei Mastschweinen hingegen ist das Kastrieren üblich. In Österreich wird das mit Schmerzmitteln gemacht, obwohl das nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Im Gegensatz etwa zu den Rindern werden bei Mastschweinen ebenso Weibchen wie (kastrierte) Männchen eingesetzt. Das wiederum hat mit der Häufigkeit des Nachwuchses zu tun, wie Christian Draxl von der Österreichischen Schweineprüfanstalt erklärt. „Eine Kuh bekommt ja jeweils nur ein Kalb, die Wahrscheinlichkeit, ob Männchen oder Weibchen liegt wie überall bei 50:50“, sagt Draxl. Also wird ein hoher Prozentsatz der Weibchen für die Zucht gebraucht – hinzu kommt noch die Verwendung als Milchkuh. Ein Schwein hingegen hat meist an die zwölf Ferkel pro Wurf. Für die Fleischproduktion werden also beide Geschlechter verwendet. Wobei sich das Fleisch je nach Geschlecht durchaus unterscheidet. Männliche (kastrierte) Tiere wachsen schneller, das Fleisch ist fetter und hat eine bessere Marmorierung. „Die Vor- und Nachteile heben sich aber auf“, sagt Draxl. Beim Bauchfleisch etwa werde derzeit das magere Fleisch von weiblichen Tieren bevorzugt.

Die Kastration ist bei Schweinen deshalb notwendig, weil manche Tiere einen unangenehmen Ebergeruch haben, der das Fleisch (zumindest hierzulande) für den Verzehr unbrauchbar mache. Daran sind Sexualhormone schuld. Nicht jeder Eber hat diesen „Fleischfehler“, wie Draxl es nennt. Da die Forschung aber noch nicht so weit ist, das vorher zu prüfen, werden aus wirtschaftlichen Gründen alle männlichen Schweine kastriert. Wobei dieser Ebergeruch nicht überall als negativ empfunden wird. „Es gibt auch Gegenden, wo man das schätzt, etwa in England. Das liegt daran, dass das Fleisch dort für Rohwürste verwendet wird. Beim Kochen, was bei uns üblicher ist, breitet sich dieser Geruch aber massiv aus“, sagt Max Hörmann von der Österreichischen Landwirtschaftskammer. Bei den Rindern wiederum ist das weniger ein Problem. Hier werden für den Mastbetrieb vor allem Ochsen verwendet, weil man die weiblichen Tiere für die Zucht und die Milchwirtschaft braucht. Die Männchen, die für die Fleischproduktion verwendet werden, werden nicht nur deshalb kastriert, weil das Fleisch schmackhafter, fetter und besser marmoriert ist, sondern auch, weil Stiere in der Haltung nicht ganz ungefährlich sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2016)

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