Obama in Kuba: Gute Laune nach kühlem Empfang

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CUBA-US-OBAMA-CASTRO(c) APA/AFP (NICHOLAS KAMM)
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Ein Gast aus Venezuela, keine Begrüßung des US-Präsidenten durch Castro am Flughafen: Die Regierung in Havanna zeigt sich distanziert gegenüber Besuch aus Washington, doch bei der Pressekonferenz ging es entspannt zu.

Havanna. Der rote Teppich wurde für den US-Präsidenten nicht ausgerollt. Und das Wetter passt zur Stimmung, die das Regime verbreitet. Der Himmel über Havanna ist grau. Als Barack Obama aus dem Jet stieg, begann es zu regnen. Er lächelte und winkte trotzdem. Aber wem? Raúl Castro war nicht da. Es wurden keine Massen herbeigekarrt, um mit Fähnchen den ersten US-Präsidenten zu begrüßen, der Kuba in friedlicher Absicht besucht.

Obama ist eben nicht der Papst aus Rom oder der als Heiliger verehrte Hugo Chávez – der mittlerweile tote Präsident Venezuelas. Sie wurden von den Castros am Rollfeld würdig empfangen. Jetzt schickte Raúl nicht einmal einen seiner Vizepräsidenten vor, nur den Außenminister. Nach fünf Minuten saßen Familie Obama samt Entourage in den Limousinen und fuhren in die Stadt. Das Staats-TV beendete die Übertragung. In Havanna ging sofort das Gerede los: Was war das? Für viele kubanische Herzen war der Empfang kalt und ernüchternd.

Auch am Montag blieb das Wetter garstig. Vom Meer brach eine Kaltfront herein, am Revolutionsplatz lächelte sich Obama durchs Protokoll: Kranzniederlegung, Händeschütteln, von den Mauern sahen die Porträts der Freiheitskämpfer Che Guevara und José Martí dem „Gringo“ zu. Dann aber der Moment, der mehr als ein halbes Jahrhundert utopisch war: Ein Castro empfängt einen US-Präsidenten. Obama, der elegante Mann der Moderne, geht lächelnd auf Raúl Castro zu, den greisen General des Kalten Kriegs. Er steht da, als müsse er etwas verteidigen. Das Bild symbolisiert eine Wende: Die Zukunft ist in Kuba gelandet und gibt der Vergangenheit die Hand.

Castro ließ Fragen zu

Es folgen lange Gespräche im mit Palmen geschmückten Palast der Revolution. Am Nachmittag treten, wieder eine Novität, beide in Havanna gemeinsam vor die Presse, dabei sind – Novität der Novität – Journalistenfragen erlaubt. Wie ein Reporter erzählt, habe das Raúl Castro bisher nie getan.

Inhaltlich brachte die fast einstündige Pressekonferenz, die in humorigem Ton ablief, keine Revolution: Obama pries den Neuanfang in den Beziehungen der Ex-Feinde, lobte „Fortschritte in Kuba“, betonte, dass man sich politisch nicht einmischen werde, und warb doch für Reformen, etwa bei der Meinungsfreiheit. Castro hielt ihn auf Distanz: „Alles, was sich ändern sollte, ist exklusive Sache der Kubaner.“ Die USA zeigten „Doppelmoral“ bei Menschenrechten. Man müsse noch einen langen Weg gemeinsam gehen und Unterschiede akzeptieren. Auf eine Journalistenfrage zu politischen Gefangenen meinte er, es gebe im Land keine; doch sollte ihm der Reporter jetzt eine namentliche Liste geben, würde er die Leute gleich freilassen. Schließlich drehte Castro, sichtlich doch ein wenig entnervt, die Konferenz etwas onkelhaft-wirsch ab.
Kuba ist weiterhin ein langsames Land, die alte Garde der Revolution versucht, dem Volk und der Welt klarzumachen: Die Vergangenheit ist wichtiger als die Zukunft. Und: Unsere wahren Freunde sind nicht die USA, sondern andere, vor allem Venezuelas Präsident, Nicolás Maduro, der 48 Stunden vor Obama da war. Die Botschaft an die USA: Glaubt ja nicht, ihr könntet uns von unserem Weg abbringen. Gleichzeitig will man mit den Kapitalisten übereinkommen.

Um zumindest optisch einen guten Eindruck zu hinterlassen, hat man aufgeräumt. Straßenzüge, durch die der präsidiale Korso fährt, wurden renoviert: Ruinen, Schrott- und Schuttberge, die seit zehn oder mehr Jahren zum Stadtbild gehörten, sind weg. Der Kapitalist sollte nicht den Eindruck bekommen, der Sozialismus sei ein Elend. Die Menschen wünschten sich vor Obamas Ankunft, er möge doch bitte noch zwei-, dreimal kommen – dann sei endlich die ganze Stadt renoviert.

Von den Armen „gesäubert“

Auch sonst hat der Machtapparat ganze Arbeit geleistet. Die Armen, die zum Straßenbild gehören, wurden zwangsinterniert, bis Obama und die TV-Teams wieder abgereist sind. Oppositionelle wie die „Damen in Weiß“ wurden von der Straße geholt, andere Dissidenten nicht erst aus dem Haus gelassen.

Die Wettervorhersage für den heutigen letzten Besuchstag ist besser. Obama trifft Dissidenten, besucht ein Baseballspiel und spricht im Gran Teatro Havannas zum Volk. Rede und Baseball übertragen Kubas Staatsmedien live. Das Treffen mit Oppositionellen wird verschwiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2016)

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