Das Essl-Museum in Klosterneuburg schließt. Es hat Pionierarbeit in der Vermittlung geleistet. Doch Privatmuseen sind vor allem Sache Privater.
Österreich ist ein Land mit einem gewaltigen kulturellen Erbe. Wer wird es in den nächsten Generationen erhalten, wenn die Jugend weniger verdient und das vorhandene Geld für die Sozialsysteme verwendet werden muss? Die Frage scheint kühn und frech in einem Staat, in dem die Kultur Kultstatus und eine Art Heiligkeit genießt. Das passt zur katholischen Tradition. Apropos Kirche: Sie kennt seit Langem das Problem mit der Finanzierung ihrer Prachtbauten, weil viele Katholiken ausgetreten sind.
Was hat das alles mit der Schließung des Essl-Museums in Klosterneuburg zu tun? Das Land Niederösterreich wollte helfen, der Bund eher nicht, wohl auch weil Kulturminister Ostermayer seine Mittel für das Haus der Geschichte braucht. Es ist sehr schade um das Essl-Museum. Erinnert sich noch jemand an Erhard Buseks Diktum von den „Dark and dirty mausoleums of the past“? Die Bundesmuseen wurden saniert, aber an Vermittlungsarbeit fehlte es auch danach. In der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums gab es einige Tafeln zu den Bildern. Heute ist man beim Zusammenbringen von Publikum und Kunst innovativer.
An der Wiege dieser tollen Entwicklung stand das 1999 eröffnete Essl-Museum. Es war ein Ausflugsziel, ein lebendiger Kunsttempel für Alt und Jung, keine elitäre Burg für Kenner und auch keine reine Touristenattraktion. Im Kontrast zum Weltkulturerbe der Innenstadt schuf Architekt Heinz Tesar mit seinem von Licht durchfluteten Bau an der Peripherie Räumlichkeiten, die an die Atmosphäre von Künstlerateliers erinnerten. Handwerklich ging es in Teilen des Essl-Museums auch zu, wenn die Kinder malten.
Außerdem war das Essl-Museum ein Platz für zeitgenössische Kunst, passend zur Sammlungspolitik seiner Gründer, Agnes und Karlheinz Essl, die sich vor allem für österreichische Kunst interessierten, die seinerzeit eher als weniger gewichtig angesehen wurde. Heute ist Wien nicht nur eine Musik- und Theaterstadt, sondern auch eine Stadt für Film und bildende Kunst. Die Essls haben dazu ihren Beitrag geleistet, speziell für Leute, denen Kultur vor allem Schwellenangst bereitet. Die Trauer um das Essl-Museum sollte aber für die Realitäten nicht blind machen. Zunächst: Es ist noch nicht aller Tage Abend. In Klosterneuburg steht ein voll funktionsfähiges Museum, das eine eingeführte Marke ist. Das Haus wird jetzt einmal als Depot für die Essl-Sammlung dienen. Aber vielleicht findet sich mit der Zeit noch eine andere Lösung. Es ist allerdings sehr wohl die Frage, ob der Staat hier einspringen muss. Ein privates Museum ist Sache Privater.
Generell nimmt die Zahl der Privatmuseen zu, weil neue Gruppen zu den Sammlern der westlichen Welt gestoßen sind – aus dem arabischen Raum, aus Asien. Immer mehr Menschen begeistern sich für bildende Kunst, sie lassen sich beraten und tragen spannende Sammlungen zusammen. Prestige, Investment und niedrige Zinsen spielen dabei eine Rolle. Die öffentliche Hand hat immer weniger Geld für Ankäufe, also kommen verstärkt Private zum Zug. Der Kunstmarkt ist in den vergangenen Jahrzehnten ein gewaltiges, globales Geschäft geworden. Er hat Ähnlichkeit mit der Börse und dem Aktienmarkt: Skandale und Manipulationen inklusive. Die Zukunft des Kunstmarkts bestimmen jedenfalls Private. Das ist in Ordnung.
Einen Nachteil allerdings haben Privatmuseen – und daran erinnert uns die Causa Essl-Museum. Privatmuseen können zugesperrt werden, wenn sich die Besitzer oder Betreiber das Museum nicht mehr leisten können. Das beliebte Pariser Museum Maillol mit 179 Arbeiten des Künstlers Aristide Maillol wurde jüngst auf unbestimmte Zeit geschlossen, man weiß nicht, wie es weitergeht.
Wie geht es weiter? Mit vielen Fragen. Werden nur große Kunsttanker überleben? Was suchen Menschen abseits der Langen Nächte der Museen und Kirchen noch dort? Ist es nicht seltsam, dass gerade das Essl-Museum, das für das breite Publikum da war, schließt? Werden unsere Söhne und Töchter noch ins Museum gehen, und werden sie sich die riesige Museumslandschaft noch leisten wollen – und können?
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)