US-Wahlen 2016: Linker Stachel in Clintons Fleisch

Bernie Sanders genießt den Augenblick des Triumphs mit seiner Gattin Jane.
Bernie Sanders genießt den Augenblick des Triumphs mit seiner Gattin Jane.(c) REUTERS (MARK KAUZLARICH)
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Bernie Sanders' Erfolg bei der Jugend und der weißen Arbeiterschicht beeinflusst Hillary Clintons Positionen.

Washington. Der sechste Streich im siebten Stechen: Bernie Sanders' Sieg bei der demokratischen Vorwahl im US-Teilstaat Wisconsin hat seinen gegenwärtigen Erfolgslauf bei der Vorausscheidung um die Kandidatenkür für die Präsidentenwahl verlängert. Sanders schlug Hillary Clinton mit 56,5 zu 43,1 Prozent. Nach seinen Siegen in Idaho, Utah, Alaska, Washington State, Hawaii und nun Wisconsin kann der 74-jährige Senator aus Vermont eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit und Rückenwind für sein ohnehin schon beeindruckendes Eintreiben von Wahlspenden erwarten.

Seit dem 22. März hat er alle demokratischen Urnengänge für sich entschieden; einzig in Arizona gewann an diesem Tag die 68-jährige frühere First Lady, New Yorker Senatorin und Außenministerin. In Wisconsin hatte er erneut die jungen Wähler sowie Weiße aus der Arbeiterklasse hinter sich.

Sanders' Chancen bleiben sehr gering

Der jüngste Erfolgslauf ändert freilich wenig daran, dass Sanders' Chancen, auf dem Parteitag der Demokraten Ende Juli in Philadelphia zum Kandidaten gekürt zu werden, gering sind. Er liegt derzeit mit 1027 zu 1279 Delegierten hinter Clinton; rechnet man die Super Delegates dazu, also hohe Parteifunktionäre aus den Bundesstaaten, die ihre Unterstützung frei vergeben können, führt Clinton mit 1748 zu 1058 (2383 sind für die Mehrheit erforderlich). Sanders müsste rund 58 Prozent aller Stimmen in den verbleibenden Vorwahlen gewinnen.

Allerdings gewann er bisher nur Vorwahlen, an denen auch Parteiunabhängige teilnehmen dürfen. In fast allen restlichen Bundesstaaten aber dürfen nur registrierte Demokraten an den Vorwahlen ihrer Partei teilnehmen. Sie hat Sanders noch nie mehrheitlich für sich gewonnen. Darum ist auch die Aufforderung seines Wahlkampfleiters, Jeff Weaver, an die Super Delegates, von Clinton zu Sanders umzuschwenken, reines Wunschdenken: Wieso sollten sie einen Kandidaten unterstützen, der es nicht schafft, ihre Parteimitglieder hinter sich zu vereinen?

Der Politiker Sanders mag folglich im Rennen um das Weiße Haus chancenlos sein, seine Politik hingegen wird, sofern Clinton die Wahl im November gewinnt, die nächste Regierung der Vereinigten Staaten prägen. Von der Kritik an der Preistreiberei der Pharmafirmen über die Auswüchse an der Wall Street bis zur Frage, wie der auf rund 1,3 Billionen Dollar (1,1 Billionen Euro) angewachsene Berg an Studentenkrediten abzutragen und das Studieren für breitete Gesellschaftsschichten leistbarer zu machen wäre, hat Sanders Clinton zu einer prononcierteren und, wenn man so will, linkeren Haltung gedrängt. Sie muss ihre Positionen nun wesentlich klarer vortragen, als das ohne seine populistischen Schlagworte vom gratis College für alle, der allgemeinen staatlichen Krankenversicherung ohne Mehrkosten oder der Zerschlagung der Großbanken der Fall wäre.

Sanders hat Clinton zu einer besseren Kandidatin gemacht, lautet der Tenor selbst bei ihren Unterstützern. „Seine Ideen werden jeden Teil der Parteiplattform formen, und das wird ihr das geben, was ihr fehlt: eine klare Botschaft“, schrieb Timothy Egan unlängst in der „New York Times“.

Diese Schärfung ihres Profils bringt es allerdings auch mit sich, dass Clinton nach der Niederlage in Wisconsin ihre bisherige Verbindlichkeit gegenüber Sanders ablegt. Die Schonzeit scheint vorüber: „Kann er umsetzen, wovon er redet? Kann er den Menschen wirklich helfen?“, schoss sie am Mittwoch im Interview mit dem Sender MSNBC scharf. Sanders, legte sie mit Hinweis auf ein zahlreiche Wissenslücken offenbarendes Interview mit der „New York Post“ nach, „hat einige seiner eigenen Pläne nicht wirklich studiert oder verstanden.“

AUF EINEN BLICK

Die Vorwahlen in Wisconsin brachten am Dienstag erwartete Siege für Bernie Sanders bei den Demokraten und Ted Cruz bei den Republikanern. Sanders hat sechs der sieben jüngsten Vorwahlen gewonnen. Allerdings liegt er klar hinter Hillary Clinton, und in den restlichen Teilstaaten hat sie mehr Unterstützung als er. Seine Positionen – von der Kritik an den Banken bis zu Fragen der Krankenversicherung und Studienfinanzierung – prägen aber Clintons eigene Haltungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)

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