Die Wiener SPÖ als Epizentrum der Krise der Sozialdemokratie

PRAeSENTATION DER WAHLKAMPFZENTRALE DER WIENER SPOe: HAeUPL
PRAeSENTATION DER WAHLKAMPFZENTRALE DER WIENER SPOe: HAeUPLAPA/ROLAND SCHLAGER
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Ausgehend von Wien, hat sich der Widerstand gegen Faymann zu einem roten Flächenbrand entfacht.

Wien. Der Ausgangspunkt war Wien. Von dort hat sich die Welle des Widerstands gegen Werner Faymann wie ein roter Flächenbrand ausgebreitet, der nun andere SPÖ-Landesorganisationen erfasst hat. Womit der Bundeskanzler nun mit Rücktrittsaufforderungen aus der eigenen Partei konfrontiert ist – samt Forderung nach einer Vorverlegung des Bundesparteitags zur inhaltlichen Klärung, in welche Richtung sich die Sozialdemokratie bewegen soll. Ohne Werner Faymann.

Die mächtigste SPÖ-Landespartei unter Bürgermeister Michael Häupl ist ein Spiegelbild für die Situation auf Bundesebene: Gespalten, verwickelt in Flügelkämpfe, ein Machtwort der Parteichefs verhallt ungehört. Vor allem bei Häupl war es früher völlig undenkbar, dass sich Teile der Partei seinen Vorgaben offen widersetzen. Oder Entscheidungen von ihm kritisieren. Denn dass Häupl sich hinter Faymann gestellt und die Personaldiskussion für beendet erklärt hat, hat in seiner Partei keine Wirkung gezeigt.

„Tabulose Diskussion“

Häupls Vize-Klubchefin Tanja Wehsely, die Schwester der Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely, wiederholte am Mittwoch gegenüber der „Presse“ die Forderung nach einem Rücktritt Faymanns. „Wozu haben wir Chefs, wenn dann am Ende niemand verantwortlich ist? Und das nach insgesamt 19 verlorenen Wahlen“, so Wehsely in Richtung Faymann und dessen Verbündete, in Anspielung auf das rote Debakel beim ersten Urnengang zur Bundespräsidentenwahl. Deshalb fordert die rote Vize-Klubchefin weiterhin eine „inhaltliche, tabulose“ Diskussion über die Ausrichtung der SPÖ. Und über Personen.

Dass Bürgermeister Michael Häupl nach seiner Klarstellung wenig Freude mit weiteren Angriffen auf Faymann haben dürfte, kommentiert Wehsely so: Die Burgenländer hätten diese Diskussion „viel brutaler“ als die Wiener geführt. Außerdem hätte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid am Mittwoch den Parteitag für 11. bis 13. November festgelegt, worauf die Salzburger SPÖ eine Vorverlegung vor den Sommer gefordert habe: Das sei ein Zeichen, dass nicht die Wiener SPÖ die treibende Kraft bei der Faymann-Kritik sei.

Schützenhilfe bekommt Wehsely vom SPÖ-Parteichef des neunten Bezirks, der traditionell links steht und in dem die roten Querdenker der Sektion 8 verankert sind. „Es sollte rasch der Bundesparteitag vorgezogen werden – das würde Druck aus der Partei nehmen“, so Siegfried Lindenmayr zur „Presse“. Bei einem vorgezogenen Parteitag sollten „mehrere Personen, die mit klaren Inhalten verknüpft sind“, kandidieren. Damit wäre alles geklärt. Wunschkandidaten will das linke Lager nicht nennen: „Das würde diesen Personen schaden.“

Direktwahl von SPÖ-Chef gefordert

Passend dazu hat die Sektion 8 ihre Forderung nach einer Direktwahl des Bundesparteichefs forciert. Neben einem Antrag beim Parteitag wollen die roten Rebellen mit einer „Testwahl“ im Internet (www.vorsitzwahl2016.at) zeigen, wie das aussehen könnte. Bei dieser fiktiven Wahl finden sich vor allem Vertreter des linken Flügels und Faymann-Kritiker auf dem Stimmzettel: Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler, Ex-Siemens-Chefin und Ex-SPÖ-Spitzenpolitikerin Brigitte Ederer, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely. Daneben stehen Faymann und ÖBB-Chef Christian Kern zur Wahl. Wobei Sektionsvorsitzende Eva Maltschnig der „Presse“ erklärt: Es sei eine fiktive Wahl, man habe Kandidaten nicht um Einverständnis gefragt. Nachsatz: „Es ist ja auch ein Feld frei, in das man jeden beliebigen Namen schreiben kann.“ Dort könne man beispielsweise auch Hans Peter Doskozil oder Hans Niessl hineinschreiben.

Wo die Fronten im politischen Mikrokosmos Wien verlaufen, der die Lage im Bund widerspiegelt, hat nicht nur die Bundespräsidentenwahl gezeigt: Urbane Innen- gegen Außen- bzw. Arbeiterbezirke, wobei Letztere mehrheitlich auf der Seite von Werner Faymann stehen. Harald Troch, SPÖ-Parteichef im Arbeiterbezirk Simmering: „Die Würfel sind gefallen, der Bundesparteitag wird nicht vorverlegt.“ Nachsatz, in Richtung des linken Parteiflügels: „Die SPÖ braucht jetzt Stabilität.“ Alles andere würde nur der FPÖ nutzen, „weil wir nicht mehr über unsere Themen reden können“.

Anstatt Faymann anzugreifen, sollten gewisse Personen sich um Probleme wie den Wiener Arbeitsmarkt, die Wiener Wirtschaftspolitik und Probleme in den Wiener Kindergärten kümmern: „Da gibt es genug zu tun.“ Nachsatz: Wenn es dank der jetzigen Asylnovelle gelinge, die Flüchtlingskrise zu lösen, sitze Faymann sicher im Sattel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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