Vom Luxusprodukt zum Imitat

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Der Beinschinken ist eine Spezialität aus der Monarchie und heute streng geregelt.

Dass die Wiener Küche stark von der Monarchie geprägt ist, ist bekannt. Ohne Kaiser gäbe es wohl nicht den passenden Schmarren dazu (oder zumindest den Namen dafür), auch die Rindfleischtradition hat Kaiser Franz Joseph, wenn auch nicht erfunden, so doch gepflegt und somit erhalten.

Auch der Wiener Beinschinken stammt aus der Kaiserzeit, genau genommen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Wobei Schinken an sich ein sehr altes Produkt ist, wenn auch nicht der Kochschinken. Denn luftgetrocknet, geräuchert oder gepökelt wird schon seit mehreren Jahrhunderten. Laut dem Kuratorium Kulinarisches Erbe Österreich beginnt die Geschichte des Schinkens mit der Domestizierung von Schweinen bereits im neunten Jahrtausend v.Chr. Schweine wurden also schon vor der Sesshaftwerdung und dem Ackerbau gehalten. Bereits die Kelten sollen Fleisch luftgetrocknet oder auch geräuchert haben, um es länger haltbar zu machen. Der Gelehrte Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.) berichtet nach einer Reise aus Gallien, dass dort „Schinken, Würste, Speck und Hammen“ wichtige Exportgüter waren.

Im frühen Mittelalter wurden Schweine in Europa auf Weiden, vorwiegend in dichten Mischwäldern, gehalten. In der Zeit vom 14. bis zum 18. Jahrhundert ging diese Praxis wegen großer Kriege, der Abholzung von Wäldern, aber auch Seuchen verloren. Erst mit der Industrialisierung wurde die Schweinehaltung wieder wichtiger.


Ost-West-Gefälle. Der Wiener Beinschinken, so wie wir ihn heute kennen, geht auf die Monarchie zurück. Sein Vorgänger ist der (stärker geräucherte und dann gegarte) Prager Schinken. Mitte des 19. Jahrhunderts, spätestens um 1880 hat sich der mildere Wiener Beinschinken etabliert. Wobei sich beim Schinken so etwas wie ein Ost-West-Gefälle bemerkbar macht. Während im Rest des Landes (gepökelter) Schinken gern roh angeboten wird (also gereift, geräuchert oder getrocknet), ist das Kochen des Schinkens eher eine Spezialität Ostösterreichs.

Beim Wiener Beinschinken wird die hintere Keule des Schweins mit Knochen einige Tage in einer Salzlake gepökelt, leicht geräuchert und anschließend gegart. Beim Pökeln wird traditionell eine Salzlösung in die Arterien des Fleisches injiziert, die Lake verteilt sich durch das Adernsystem des Fleisches (weshalb das Fleisch sehr frisch sein muss). Erst danach wird das Fleisch (wenn überhaupt) leicht über Buchenholz geräuchert und anschließend schonend gegart.

Traditionell ist der klassische Beinschinken ein Luxusprodukt. Verstärkt wurde dies durch den Schinkenspanner, den man (zumindest früher) brauchte, um den Schinken aufzuschneiden. Erst seit ein paar Jahrzehnten wird auch Beinschinken ohne Knochen produziert.

Nach dem Österreichischen Lebensmittelbuch darf Beinschinken nur aus einem ganzen Stück produziert werden. Schinken kann hingegen aus großen, gewachsenen Teilen (z. B. Beinschinken ohne Knochen) und kleinen Fleischstücken (z. B. Toastschinken) vom Schlögel bestehen. Das Wasser-Eiweiß-Verhältnis ist im Gesetz genau geregelt (und darf den Wert 3,7 nicht überschreiten). Alles, was nicht diesen Regeln entspricht, darf nicht Schinken genannt werden, mit der verwirrenden Ausnahme des Vorderschinkens, der zwar das Wort Schinken enthält, aber kein „richtiger“ Schinken ist. Bei Bezeichnungen wir Toastblock oder Pizzablock ist jedoch klar, dass diese Schinkenimitate (bei denen Fleisch durch Stärke ersetzt wird) nichts mit dem Original zu tun haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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