1. Die Neue und die saisonale Grippe können kozirkulieren
Bei diesem Szenario würde die schon zugelassene Impfung gegen die saisonale Influenza wirken. Gegen die Neue Grippe kann man, wenn der Impfstoff da ist, zusätzlich impfen. Dass Viren parallel zirkulieren, ist seit Jahrzehnten so: Saisonale Grippeviren sind entweder Typ A oder Typ B. Jeder davon hat Untertypen, die zugleich kursieren. In der letzten Grippesaison waren 90 Prozent der Erkrankten vom Virus-Subtyp A/H3N2 betroffen, 1,5 Prozent vom alten A/H1N1-Stamm, der seit der Spanischen Grippe im Jahr 1918 dem Menschen vertraut ist. Der Rest der eingesandten Proben (nur ein Bruchteil der tatsächlichen Erkrankungen) waren vom Virustyp B betroffen. „Wir können keine Prognosen abgeben, was passiert, wenn das neue A/H1N1-Virus parallel mit der saisonalen Grippe kursiert, außer, dass es mehr Grippefälle insgesamt geben wird“, sagt die Virologin Redlberger. Weil eben die Neue Grippe – ohne Vorimmunisierung – bis zu 30 Prozent der Menschen befallen kann.
2. Die Neue Grippe wird die saisonale Grippe verdrängen
Auch dieses Szenario ist ein bekanntes: Neue Viren einer Pandemie verdrängten schon vor Jahrzehnten Grippeerreger der saisonalen Epidemien (die im Gegensatz zur Pandemie zeitlich und örtlich begrenzt sind). In der Pandemie 1957 wurde das damals zirkulierende H1N1-Virus von dem neuen H2N2-Virus vollständig verdrängt. Genau dieses wurde zehn Jahr später, im Jahr 1968, in einer Pandemie von dem noch neueren H3N2-Stamm vollständig verdrängt. „Das kann immer so passieren, aber wir wissen jetzt für die heurige Saison nicht, ob es zu einer vollständigen Verdrängung der saisonalen Grippe durch die Neue Grippe kommen wird oder ob nur einzelne Subtypen vom neuen Virus teilweise verdrängt werden“, betont Monika Redlberger. Als die im Menschen verbreitete H1N1-Grippe in den 1970er- Jahren wieder auftauchte, verdrängte sie keine anderen Stämme, sondern kozirkuliert seither mit dem häufigen H3N2-Virus der saisonalen Grippe.
3. Das Neue Virus kann sich mit alten Grippeviren vermischen
Auch das ist kein Horrorszenario. Zwar stünde für den neuen Stamm keine Impfung bereit, doch diese Situation erleben wir – ohne Horrorszenarien – seit April. „Im Falle einer Reassortierung (Vermischung, Anm.) wären wir wieder zurück am Start“, sagt Redlberger. Dann wäre erneut ein völlig neues Virus auf der Welt, gegen das kein Mensch immun wäre und gegen das neue Antigene entwickelt werden müssten. Die Erfahrung der Pharmaindustrie, von Jahr zu Jahr die Impfstoffe an die aktuellste, stets leicht veränderte Virenzusammensetzung anzupassen, würde in diesem Fall nichts nützen. „Die Möglichkeit, dass es zur Vermischung von Virussubtypen kommt, besteht immer, wenn verschiedene Stämme zugleich zirkulieren“, sagt Redlberger. Jedoch schätzt die Virologin die Wahrscheinlichkeit eines solchen Vermischens als nicht viel höher ein als in den letzten Jahrzehnten, als zwei Influenza-A-Subtypen (H1N1 und H3N2) in saisonalen Wellen parallel zirkulierten.