High Fashion und Jogginghosen in Antwerpen

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Tanguy Ottomer ist Personal Shopper. In seiner Welt dreht sich vieles um Mode. Und Kunst.

Antwerpen. Er liebt maßgeschneiderte Anzüge. Am besten der belgischen Marke Café Costume. „Man kann sich jedes noch so kleine Detail selbst aussuchen.“ Seine Augen glänzen, und er überlegt kurz, weiter auszuholen. Aber dann winkt er ab. Eigentlich will Tanguy Ottomer heute in die Welt des Personal Shopping Guide einführen. In seine Welt. Wichtigste Regel: „Die beste Mode ist, sich wohlzufühlen.“ Eine Person von oben bis unten zu verändern, das bringe nichts. „Ich will die Persönlichkeit erkunden und dann gewisse Dinge hinzufügen. Das Einzige, was ich mache ist, Ratschläge zu geben.“

Drei Stunden lang dauert eine Einkaufstour mit Tanguy. In kurzer Zeit heißt es dann, Vertrauen aufzubauen und den Nerv der Kundin – meist sind es Frauen – zu treffen. „Zuerst gehen wir in ihren Lieblingsshop. Dort sucht sie sich Kleidungsstücke aus, die ihr besonders gefallen – egal, welche Größe. So taste ich mich an ihren Geschmack heran. Erst dann probieren wir andere Shops derselben Linie.“ Die Liste der Personal Shopping Guides in Antwerpen ist lang, wobei Tanguy derzeit so etwas wie der Star unter ihnen ist. Auch sonst dreht sich hier alles um Mode. Schon im Mittelalter wurde in der Hafenstadt mit Stoffen gehandelt, gewebt und gefärbt. Zur Modemetropole avancierte Antwerpen aber erst in den vergangenen Jahrzehnten, nachdem das Designerkollektiv Antwerp 6 Anfang der Achtzigerjahre seinen Durchbruch feierte.

Hauptsache originell

Heute kommen zwei Drittel der Besucher, um einzukaufen. Von Vintage-Läden über trendige Boutiquen bis zu belgischen Designerlabels ist alles dabei. Typisch sind vor allem die noblen Secondhandshops, die belgische Designerware zu guten Preisen verkaufen. Und die Concept Stores, in denen es von Jeans bis Fahrrädern alles zu kaufen gibt. Die Devise: Hauptsache originell. „Es sprießen auch immer mehr Pop-up-Läden aus dem Boden, aber kaum hat man sie gefunden, sind sie auch schon wieder weg“, weiß Tourguide Sofie Korres.

Die Stadt bietet freilich mehr als High Fashion: eine imposante Altstadt, eine attraktive Kunst- und Kulturszene sowie Kaffees, Bars und Restaurants an allen Ecken und Enden. Natürlich auch Pralinen, Diamanten und Bier. Trotzdem: Das Thema Mode schiebt sich wie von selbst immer wieder auf das Tableau. Zum Beispiel im Gespräch mit zwei amerikanischen Taschendesignerinnen, die hier Inspiration suchen. Oder in der St. Andreaskirche, in der sogar die Marienstatue ein Kleid der belgischen Designerin Ann Demeulemeester trägt.

Selbst die Arbeitskleidung der Müllmänner hat ein Designer entworfen. Dann ist da noch die Modeakademie. Deren Plätze sind heiß begehrt, fast zwei Drittel der Studierenden kommen mittlerweile aus dem Ausland. Betuchte Eltern zu haben ist von Vorteil: Die Stoffe für ihre Abschlussarbeiten müssen die Studierenden selbst zahlen, das kann in die Tausender gehen. Immerhin ist aber möglich, sich Sponsoren zu suchen.

Macht das ganze Modegehabe Antwerpen zu einer oberflächlichen Stadt? Im Gegenteil: Egal, mit wem man spricht, man stößt auf ungewohnt viel Kreativität, Offenheit, Ideenreichtum und gelebte Selbstverwirklichung. Wo Mode ist, ist Kunst nicht weit. Und Kunst verbinden die Antwerpener gern mit Kulinarik, zum Beispiel in Kunstcafés. „Mode geht jeden etwas an. Wir alle müssen Morgen für Morgen entscheiden, was wir anziehen“, sagt Tanguy. Es gehe darum, die eigene Stimmung auszudrücken. Klar: Die großen Modeschauen seien eine Welt für sich. Kunst, Show. Nichts, was einen täglich begleite. „Auch ich laufe daheim am liebsten in Jogginghosen herum.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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