Bangladesch: Die Terroristensöhne aus gutem Hause

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Der IS rekrutiert immer mehr junge Menschen aus der Elite: Die Regierung in Bangladesch schaut weg.

Wien/Dhaka. Sie besuchten teure Privatschulen, wuchsen im Wohlstand der abgeschotteten Nobelviertel in Dhaka auf, einige studierten im Ausland – keiner war besonders religiös erzogen worden: Fünf der sechs jungen Männer, die am Freitag in einem Restaurant der Hauptstadt von Bangladesch mit Messern und Macheten mehr als 20 Menschen kaltblütig ermordeten, waren nahezu alle Kinder der Elite des armen südasiatischen Landes.

So auch Rohan Ibni Imtiaz. Der 20-Jährige war der Sohn eines einflussreichen Lokalpolitikers der Regierungspartei Awami League. Im Jänner verschwand der einst „fröhliche, aufgeschlossene“ Rohan spurlos. Heute wird vermutet, dass er irgendwo in Südostasien in einem IS-Camp ausgebildet wurde. Schon lange kannte der Politikersohn die anderen Attentäter: Die meisten hatten wie er die elitäre englische Privatschule Scholastica School in Dhaka besucht, später dann an Privatunis in Dhaka oder in Malaysia studiert. Fast alle waren Söhne von Unternehmern, Anwälten, Ärzten, brillierten in Sport-Vereinen und hatten gemeinsam Spaß in den schicken Clubs der Stadt – bis sie radikalisiert wurden.

„Zu einer Art Mode geworden“

Rekrutiert wurden die jungen Männer offenbar vom IS, der sich am Wochenende auch zur Tat bekannt hat. Der erste Kontakt zur Gruppe erfolgte möglicherweise über das Netz: Laut der Zeitung „Daily Star“ folgten mehrere der Attentäter bereits 2014 dem inzwischen inhaftierten Pro-IS-Prediger Shami Witness auf Twitter und waren Fans des in Bangladesch populären radikalen TV-Imams Zakir Naik: Der Inder hatte alle Moslems aufgerufen, „Terroristen zu werden“. Zu professionellen Killern wurden sie möglicherweise erst in den vergangenen Monaten im Ausland ausgebildet.

Das grausame Gemetzel hat jedenfalls aller Welt vor Augen geführt, wie anfällig Bangladeschs reiche Jugend für extremistische Ideen ist. Sogar die Regierung gibt dies inzwischen zu: „Es ist zu einer Art Mode geworden“, sagte Sicherheitsminister Khan verbittert. Bisher hatte es von offizieller Seite immer geheißen, Islamisten rekrutierten ihre Anhänger vor allem in Armenvierteln und Religionsschulen.

Doch auch in einem anderen Punkt scheint die Realität von der offiziellen Linie abzuweichen: Trotz all der Hinweise will die Regierung nicht von einem IS-Hintergrund sprechen. Stattdessen gibt sie lokalen Extremisten, wie der Jamaat-ul-Mujahideen (JMB) oder der Ansarullah Bangla Team (ABT), die Schuld. Die verbotenen Gruppen waren auch für die letzten Anschläge verantwortlich gemacht worden: Zuletzt waren fast wöchentlich säkulare Aktivisten, Blogger und Journalisten sowie Angehörige religiöser Minderheiten ermordet worden. Zu den meisten Angriffen bekannten sich allerdings IS oder al-Qaida. Experten sehen darin nicht unbedingt einen Widerspruch: JMB steht dem IS, ABT der al-Qaida nahe.

Politisches Kalkül

Hinter der sturen Haltung der Regierung steckt auch innenpolitisches Kalkül: Die säkulare Regierungspartei Awami League möchte indirekt die oppositionelle Bangladesh National Party diskreditieren, die mit der Jamaat-e Islami, der wichtigsten islamistischen Partei, zusammenarbeitet. Immer wieder wird von oberster Stelle impliziert, dass die BNP Kontakte zu lokalen radikalen Kräften hat.

Anderseits möchte man nicht zugeben, dass der internationale Terror sich auch im moslemischen Bangladesch ausbreitet – wohl auch, um internationale Investoren nicht abzuschrecken. Doch genau das geschieht bereits: Die japanische Kleiderfirma Uniqlo, einer der Hauptinvestoren in Bangladesch, hat nach dem jüngsten Blutbad in Dhaka für seine Mitarbeiter Reisen in das Land stark eingeschränkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2016)

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