Fall Dugard: Polizei wusste von "Garten-Bewohnern"

Garrido hinter seiner Verteidigerin im Gericht
Garrido hinter seiner Verteidigerin im Gericht(c) EPA (WILLIAM FOSTER)
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Die 18 Jahre dauernde Gefangenschaft von Jaycee Dugard hätte vor Jahren beendet werden können: Ein Nachbar des mutmaßlichen Entführers hatte sich an die Polizei gewandt. Auch wegen Mordes soll ermittelt werden.

Im Fall der Entführung von Jaycee Lee Dugard geraten die kalifornischen Behörden immer stärker unter Druck: Nun wurde bekannt, dass sie die 18 Jahre dauernde Gefangenschaft der jungen Frau, die 1991 als Elfjährige entführt wurde, schon vor drei Jahren hätten beendet werden können. 2006 beschwerten sich Nachbarn, dass ein "psychotischer Sexsüchtiger" neben ihnen wohne, der mit Kindern lebe und Leute in Zelten auf seinem Hinterhof hausen lasse. Ein Polizist fuhr damals zu dem Anwesen von Dugards mutmaßlichem Entführer Phillip Garrido. Der Beamte unterhielt sich eine halbe Stunde lang mit dem Mann vor dem Eingang seines Hauses in Antioch, sagte Sheriff Warren Rupf. Doch er betrat weder Haus noch Garten. Der Grund: Er habe nicht gewusst, dass Garrido ein verurteilter Sextäter sei obwohl im Sheriff-Büro die Informationen über das Strafregister des Mannes vorgelegen habe.

"Wir haben die Chance verpasst, ein früheres Ende herbeizuführen", sagte Rupf. "Ich kann am Ablauf der Dinge nichts mehr ändern, aber wir machen uns deswegen selbst Vorwürfe. Wir hätten neugieriger, wissbegieriger sein und einen oder zwei Steine umdrehen sollen."

Frauenleichen gefunden

Gegen Garrido wird jetzt auch im Zusammenhang mit der Ermordung von vier Frauen in den 1990er Jahren, darunter drei Prostituierte, ermittelt. Wie der Sender KTVU am Freitag berichtete, sollen die Leichen der Frauen in der Nähe eines früheren Arbeitsplatzes des Mannes gefunden worden sein. Die Beamten gingen entsprechenden Hinweisen nach und durchsuchten am Freitag das Haus des Mannes, hieß es.

Der Besuch des Polizisten bei Garrido 2006 war nicht die einzige verpasste Chance, Dugards Gefangenschaft zu beenden. Als bedingt Strafentlassener trug Garrido ein Funkband am Bein, das den Behörden stets seinen Aufenthaltsort meldete. Mehrmals monatlich traf er sich mit seinem Bewährungshelfer. Unangemeldete Hausinspektionen seien durchgeführt worden, die letzte im Juli 2008. Niemals sei etwas aufgefallen, sagte ein Vorgesetzter des Bewährungshelfers, Gordon Hinkle.

Im Jahr 1993 musste Garrido wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen vier Monate ins Gefängnis. Die Behörden versuchen nun herauszubekommen, wer sich während seiner Abwesenheit um Dugard kümmerte.

Plädieren auf "nicht schuldig"

Gegen Garrido und seine Frau Nancy ist am Freitag Anklage erhoben worden. Wie der US-Sender CNN berichtete, werden dem 58-Jährigen und seiner 55-jährigen Frau unter anderem Entführung, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Gegen das Ehepaar liegen mehr als zwei Dutzend Anklagepunkte vor.

Das Paar trat in Handschellen und roter Gefängniskleidung im Bezirk El Dorado County schweigend vor den Richter. Ihre Anwälte plädierten für sie auf "nicht schuldig". Bei einer Verurteilung droht ihnen lebenslange Haft. Nancy Garridos Verteidiger, Gilbert Maines, sagte Reportern, dass er sich noch kein Bild von dem Geisteszustand seiner Mandantin machen konnte. "Sie sitzt auf der Anklagebank und weint", berichtete er.

Die mutmaßlichen Kidnapper waren am Mittwoch im kalifornischen Antioch festgenommen worden. Die Polizei konnte die inzwischen 29 Jahre alte Jaycee Lee Dugard aus der Gewalt des Ehepaares befreien. Sie war 1991 als Elfjährige nahe ihres Elternhauses in South Lake Tahoe entführt worden. Nach den Ermittlungen der Polizei wurde sie in einem Gartenschuppen hinter dem Einfamilienhaus gefangen gehalten und sexuell missbraucht. Sie bekam von Garrido zwei Töchter, die heute elf und 15 Jahre alt sind.

Garridos Vater: "Er ist ein kranker Mann"

Nachbarn und Bekannte beschreiben Garrido als religiösen Fanatiker, der davon sprach, Gottes Stimme zu hören. Sein 88-jähriger Vater, Manuel Garrido, beschrieb seinen jüngsten Sohn als einen "kranken Mann". Er sollte bestraft, aber wie eine "verrückte Person" behandelt werden, sagte der in Nordkalifornien lebende Mann der "Los Angeles Times". Der Ärger habe schon in der Schule begonnen, nachdem der Bub die Droge LSD entdeckt hatte. "Damit ruinierte er sein Leben. Danach stellte er eine Menge verrückter Dinge an".

Nach Behördenangaben verbüßte Garrido von 1977 bis 1988 eine Haftstrafe wegen Entführung und eines Sexualdelikts. Ursprünglich war er zu 50 Jahren Haft verurteilt wurden, kam dann aber auf Bewährung frei.

(Ag.)

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