In Graz ging der Terrorprozess gegen den Prediger Mirsad Omerovic (34) zu Ende. Und das keineswegs reibungslos: Zwischenzeitig wurde der Saal aus Sicherheitsgründen geräumt.
Graz. So schwer bewacht das Grazer Landesgericht am Mittwoch auch war – am Nachmittag wurde plötzlich der Gerichtssaal geräumt, in dem der letzte Akt im Terrorprozess gegen den salafistischen Prediger Mirsad Omerovic (34) stattfand. Der genaue Grund für dieses Vorgehen blieb ungewiss.
Zuerst wurde bekannt gegeben: Die Räumung sei „aufgrund einer Information, die die Sicherheit betrifft“, veranlasst worden. Laut einer Gerichtssprecherin ist es zu einem „sprunghaften Anstieg“ der Besucherzahl gekommen. Dies wurde vom Verfassungsschutz offenbar als verdächtig eingestuft. Laut der „Kleinen Zeitung“ gab es eine Warnung aus Wien, wonach sich „als gefährlich eingestufte Mitglieder der Wiener Salafistenszene“ unter die Zuschauer gemischt hätten.
Jedenfalls wurden letztlich alle Anwesenden erneut einer Sicherheitskontrolle unterzogen. Das Aufgebot an Beamten der Sondereinheit Cobra wurde aufgestockt. Ein Sprengstoffsuchhund wurde in den Saal geführt.
Diese Entwicklung war insofern bemerkenswert, als es gleich zwei (ziemlich gleichartige) Sicherheitschecks zu durchlaufen galt, wenn man den Terrorprozess als Beobachter besuchen wollte. Zudem musste jeder, der in den Saal wollte, ein Personaldokument vorweisen. Die Angeklagten selbst – mit dem Prediger ist auch ein mutmaßlicher Gefolgsmann, der 28-jährige Tschetschenien-Flüchtling Mucharbek T., angeklagt – wurden von schwarz maskierten Justizwachebeamten bewacht.
Am Vormittag hatte der prominente deutsche Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte Guido Steinberg als Gerichtssachverständiger ausgesagt. Er hatte Internetvideos und Tonaufzeichnungen von Omerovic-Reden bewertet. Schon einmal hatte Steinberg sein Gutachten erläutert, aber weil ihm nicht alle Übersetzungen von Predigten zur Verfügung gestanden waren und Verteidiger Jürgen Stephan Mertens beantragt hatte, sämtliches Material auszuwerten, musste Steinberg neuerlich Stellung nehmen. Gleich vorweg erklärte er: „Am Gutachten ändert sich nichts.“ Er habe nur „neues Material zu alten Themen“ nachgeliefert bekommen.
„Hass auf Schiiten“
Schon im Februar hatte Steinberg die Gedankenwelt des Predigers dargelegt. Omerovic, ein sechsfacher Vater, der in Wien als islamischer Religionslehrer gearbeitet hat, sehe den bewaffneten Kampf gegen Ungläubige „als individuelle Glaubenspflicht“. Er zähle zu einem militanten Flügel der Wahhabiten. Und lasse „ausgeprägten Hass auf Schiiten“ erkennen.
„Herr Omerovic befürwortet IS-Aktivitäten, die al-Nusra-Front in Syrien (eine salafistische Terrorgruppierung, Anm.) und die al-Qaida“, hatte der Experte den Geschworenen erklärt. Und: „Er wirbt für den bewaffneten Kampf.“ Der Prediger sehe sich als Teil einer kleinen Minderheit, die „den wahren Islam“, jenen „aus dem siebten Jahrhundert, zur Zeit des Propheten“, vertrete.
Der Staatsanwalt hatte den Angeklagten gar als „Popstar“ unter den Predigern bezeichnet. Immerhin waren nach seinen Vorträgen in Glaubensvereinen – so auch in Wien und Graz – von Gefolgsleuten immer wieder Videos von den Reden via Internet verbreitet worden.
In den zehn zusätzlichen Predigten, die nun analysiert wurden, vertrat Omerovic laut Gutachter „eine sehr radikale Form des Monotheismus“ und würde nur „eine sehr kleine Gruppe als Muslime akzeptieren“. Auf die Frage nach den Pflichten der Muslime meinte Steinberg, dass Omerovic dies so sehe: „Islam ist nicht Frieden, der Angriff ist verpflichtend.“
Verteidiger Mertens hatte einen Privatgutachter mitgebracht. Bei dessen Frage an Steinberg, ob die schwarze Flagge ein eindeutiger Hinweis auf IS-Zugehörigkeit sei, herrschte Uneinigkeit. „Kann man sagen, dass es darüber eine Meinungsverschiedenheit gibt?“, fragte der Privatgutachter den Sachverständigen. „Wenn Sie eine andere Meinung haben, haben wir schon eine Meinungsverschiedenheit“, unterbrach ein Mitglied des Richtersenats diesen Dialog.
Omerovic: „Bin schuldlos“
Das Besondere an diesem Terrorprozess ist, dass erstmals auch mehrfacher Mord (Mord als terroristische Straftat), begangen im Jahr 2013 an syrischen Zivilisten, zur Anklage gebracht worden war. Die Opferzahl konnte der Staatsanwalt jedoch nicht nennen. Gemäß diesem Vorwurf soll der Hauptangeklagte andere, darunter eben auch den Mitangeklagten, dazu angestachelt haben, sich der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) anzuschließen. Omerovic und T. bekennen sich nicht schuldig. Er habe andere nie dazu aufgerufen, sich dem IS anzuschließen, unterstrich der Prediger. Die Urteile standen zuletzt noch aus.
AUF EINEN BLICK
Wegen Mordes, begangen als terroristische Straftat, stand am Mittwoch der Salafistenprediger Mirsad Omerovic (34) noch einmal vor einem Grazer Schwurgerichtshof. Laut Anklage soll er als „Hassprediger“ tätig gewesen sein und einen Gefolgsmann zur Tötung von syrischen Zivilisten angestachelt haben. Omerovic weist das zurück: Nie habe er andere dazu gebracht, sich der Terrormiliz IS anzuschließen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2016)